Riester: "Ernüchterndes Ergebnis" Wissenschaft versenkt Stoibers Niedriglohn-Subventionen

Berlin (rpo). Auf zunehmende Ablehnung in der Wissenschaft stoßen die Wahlprogrammpläne der Union zur Entlastung niedrig entlohnter Beschäftigter von Sozialabgaben. Sie seien weder finanzierbar noch bringe sie ausreichend Beschäftigung, stellte das Bonner Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) wie zuvor das dortige Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) fest.

Der der Union nahestehende IWG-Direktor Meinhard Miegel teilte die Ergebnisse Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) in einem dpa vorliegenden Brief mit. Riester und SPD sehen sich vielmehr in ihrer Politik der Beschleunigung der Arbeitsvermittlung bestätigt.

Die Union will die Beschäftigung dadurch voranbringen, dass die bisherigen 325-Euro-Jobs bis 400 Euro im Monat sozialabgabenfrei werden. Zugleich ist eine Pauschalbesteuerung mit 20 Prozent vorgesehen. Zwischen 401 und 800 Euro soll eine gestaffelte Sozialabgabenpflicht eingeführt werden, die erst oberhalb dieser Zone den vollen Satz erreicht.

Miegel kommt zu einem "ernüchternden Ergebnis", wie er Riester mitteilte. "Soll die Beschäftigung im Niedriglohnbereich spürbar erhöht und die Arbeitslosigkeit ebenso spürbar eingedämmt werden, muss der Kreis der Begünstigten weit gezogen werden." Unter dieser Voraussetzung müsste die volle Beitragsfreiheit bis zum Monatseinkommen von 835 Euro gelten, die degressive Förderung bis 1670 Euro monatlich. Je nach weiterer Ausgestaltung lägen die jährlichen Zusatzkosten für den Staat zwischen 18 und 28 Milliarden Euro. Der Aufwand pro zusätzlichem Beschäftigten läge zwischen 23 000 und 106 000 Euro. Miegel: "Diese Strategie erfordert mithin riesige Milliardenbeträge, die innerhalb der derzeitigen und wohl auch künftigen öffentlichen Haushalte kaum darstellbar sind."

Riester sagte dazu der dpa: "Das Institut hat die Drei-Säulen- Theorie des Herrn Stoiber politisch versenkt. Innerhalb weniger Tage ist es das zweite Institut, das den Stoiberschen Beschäftigungsplänen die Tauglichkeit abspricht. Damit fehlt dem Kanzlerkandidaten der Union der zentrale Baustein seiner Beschäftigungspolitik." Stoiber will mit seinem so genannten Drei-Säulen-Modell 800 000 Stellen schaffen. Das IZA war Mitte der Woche zum Ergebnis gekommen, dass es höchstens 30 000 sein könnten.

Ähnlich wie Riester äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Franz Thönnes. Die flächendeckende Subventionierung der Sozialbeiträge ohne Befristungen und Zielgruppenorientierung erweise sich als absoluter Unsinn. "Im Kern bestätigt das Miegel- Institut die Politik der Regierung, die mit dem seit Jahresanfang geltenden Job-AQTIV-Gesetz versucht, die Vermittlung von Arbeitslosen in neue Beschäftigung zu beschleunigen und Langzeitarbeitslosen sowie Sozialhilfeempfängern durch Hilfen aus einer Hand schnell den Zugang zu neuer Arbeit zu ermöglichen."

Miegel stellte fest: "Als deutlich kostengünstigere Alternative bietet sich an, durch entsprechende Umstrukturierungsmaßnahmen die durchschnittliche Vermittlungsdauer von Arbeitslose von derzeit 35 Wochen um ein bis zwei Wochen zu verkürzen. Eine Verkürzung der Vermittlungsdauer um nur eine Woche vermindert die Zahl der Arbeitslosen um rund 100 000."

(RPO Archiv)
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