Kolumne Berliner Republik "Weiter so" hat ausgedient

Berlin · Eine der meistgestellten Fragen im Regierungsviertel lautet: Bekommen wir in Deutschland österreichische Verhältnisse? Union und SPD tun nicht genug, dies zu verhindern.

 Eva Quadbeck

Eva Quadbeck

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Den etablierten Parteien ist in den vergangenen Monaten mehrfach der Schreck in die Glieder gefahren: der Absturz der Volksparteien bei den Landtagswahlen im März, der Aufstieg der AfD, die Beinahe-Wahl eines rechtspopulistischen Bundespräsidenten in Österreich. Unsere Nachbarn gelten den Volksparteien hierzulande als schlechtes Vorbild. Union und SPD wollen es nicht so weit kommen lassen, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung von ihnen abwendet.

Doch um den dramatischen Abwärtstrend der Volksparteien in Umfragen und damit österreichische Verhältnisse zu verhindern, muss man auch anders agieren, als es die ÖVP und die SPÖ in den vergangenen Jahren getan haben. Sie beschränkten sich grundsätzlich auf ein "Weiter so" und reagierten auf die rechtspopulistische FPÖ stets mit Ausgrenzung und Abwehr. Davon waren am Ende auch die Bürger enttäuscht, die wiederum die Abkehr von den einstigen Volksparteien vollzogen.

Union und SPD sollten sich hüten, diesem Beispiel zu folgen. Den Weg ins politische Establishment sollten die Volksparteien der AfD natürlich nicht ebnen. Es versteht sich für Demokraten von selbst, sich glasklar gegen eine Partei abzugrenzen, die Ressentiments schürt und sich ihrerseits nicht klar von Rechtsradikalen distanziert. Mit den Themen der Rechtspopulisten aber müssen sich die Etablierten mehr auseinandersetzen. Der Aufstieg der AfD muss mehr als bisher Anlass sein zur kritischen Selbstbetrachtung. 15 Monate vor der nächsten Bundestagswahl ist dazu ein guter Zeitpunkt. Die Parteien haben gerade begonnen, ihre Wahlkampfstrategien festzulegen.

Leider zeichnet sich bislang aber ein "Weiter so" ab. Die Sozialdemokraten mäandern zwischen Mitte-rechts und Mitte-links, auf dass niemand wisse, warum und wofür man sie wählen soll. Die Union schickt sich an, für mehr Einigkeit in den eigenen Reihen zu sorgen. Dann wird die CDU im Wahlkampf aller Voraussicht nach abermals mit Stabilität für Steuern und innere Sicherheit den Leisetreter geben, während die CSU mit ihrem Bayernplan auf wohlkalkulierte Eigenprofilierung setzen wird.

Wahrscheinlich reicht diese Taktik noch einmal, um sich gemeinsam über die 50-Prozent-Hürde zu wuchten. Sie birgt aber die Gefahr, dass wir doch auf Dauer österreichische Verhältnisse bekommen. Denn eben diese Strategie des "Weiter so" haben die Volksparteien in Österreich so lange verfolgt, bis aus der großen Koalition eine kleine geworden war. Noch können Union und SPD dieses Schicksal abwenden.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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