Stuttgart 21: Geißler hat das Wort

Die acht Gesprächsrunden zwischen Gegnern und Befürwortern von Stuttgart 21 haben zunächst nur ein Ergebnis erbracht: Die Positionen sind unvereinbar. Mit Spannung wird deshalb der morgige Schlichterspruch von Heiner Geißler erwartet.

Der Handlungsspielraum für den 80-jährigen Ex-CDU-Generalsekretär ist denkbar klein. Ein Volksentscheid über Stuttgart 21 wäre nach seiner Ansicht die einfachste Lösung, aber er schließt diese Möglichkeit aus, weil sie rechtlich nicht möglich sei. Bleibt nur eine Vermittlung zwischen den Kontrahenten. Die haben sechs Wochen lang unter der strengen, aber humorvollen Leitung Geißlers ("Es wird nix unterdrückt, auch wenn einer was sagt, was dem anderen nicht passt") Positionen ausgetauscht, sind sich aber in der Sache nicht nähergekommen. Zwischen der Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs ("K 21") und dem Bau eines Tiefbahnhofs samt unterirdischen Zufahrten (Stuttgart 21) kann es keinen Kompromiss geben.

Geißler dämpft deshalb die Erwartungen: "Ich bin nicht der Heilige Geist und als Tröster geeignet", formuliert er gegenüber dem "Focus". Er will offenbar vorschlagen, beim Bau des Tiefbahnhofs nachzubessern, und geht damit auf Argumente der Gegner ein, die sowohl den Tiefbahnhof als auch die Zufahrtstrecken für zu knapp dimensioniert halten. Wenn der Mehraufwand nicht mehr als eine halbe Milliarde Euro kostet, das hat der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) signalisiert, will er den Schlichterspruch annehmen. Zudem plant Geißler, den Gegnern bei der Stadtplanung entgegenzukommen: Die 100 Hektar, die nach dem Abbau aller oberirdischen Gleisanlagen freiwerden, sollten vor Immobilienspekulationen geschützt werden.

Ausgangspunkt für das bislang beispiellose Verfahren war eine aus dem Ruder gelaufene Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei am 30. September, bei der mehr als 100 Menschen verletzt wurden. Der Druck der Straße war für die Dauer der Schlichtung aus dem Konflikt genommen – die Bauarbeiten ruhten weitestgehend.

Das Niveau der Gespräche war hoch. Geißler bestand erfolgreich darauf, dass "alle Fakten auf den Tisch" und via Fernsehen und Internet allen Interessierten vor die Augen kamen. Mehr als einmal lobte er das zivilgesellschaftliche Engagement der Gegner, die weitgehend ohne professionellen Beistand die Argumentation der Bahn an einigen Stellen ins Wanken brachten – etwa bei der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs.

Heiner Geißler stellte in seinem Schlusswort zur letzten Schlichtungsrunde fest: "Es hat sich herausgestellt, dass man über ein so schwieriges Thema vernünftig reden kann." Das allein wäre als Ergebnis der rund 500 000 Euro teuren Gespräche sicher ein bisschen mager. Auf jeden Fall ist es aber auch gelungen, den Konflikt für begrenzte Zeit in ruhigere Bahnen zu lenken und neue Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger zu erproben.

Klarheit über Stuttgart 21 wird vermutlich erst die Landtagswahl im März bringen. Die jüngsten Umfragen lassen diese Frage freilich ebenso offen wie der Ausgang der Schlichtungsgespräche. Laut ZDF- "Politbarometer" sind 40 Prozent der Baden-Württemberger für, ebensoviele gegen Stuttgart 21. Wäre Sonntag Wahl, könnte Schwarz-Gelb mit 44 und Grün-Rot mit 45 Prozent rechnen.

(Rheinische Post)
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