Persönlich Stefan Heße . . . kritisiert seine Bischofsbrüder

Seit viereinhalb Monaten ist Stefan Heße nun Erzbischof von Hamburg. Mit knapp 49 ist er der jüngste der katholischen deutschen Bischöfe. Heße hat jetzt im Gespräch mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" eine Einsicht erkennen lassen, die unter seinen Amtsbrüdern noch immer nicht selbstverständlich ist: Kirche beginnt zwar nicht (wie gute Politik) mit der Betrachtung der Wirklichkeit, aber sie hat daraus Rezepte für ihre Arbeit abzuleiten. Konkret hat Heße über seine Kirche gesagt: "Ich glaube, sie kann sich den Realitäten des Lebens nicht mehr verschließen." Er meint das auch als Plädoyer für mehr Offenheit gegenüber schwulen und lesbischen Partnerschaften. Zwar sei er zurückhaltend, was den Begriff "Ehe" und die kirchliche Segnung angehe, sagt Heße, aber: "Wir müssen es wertschätzen, wenn in homosexuellen Beziehungen Treue und Verlässlichkeit gelebt werden." Eine Segnung hatten die katholischen Laien gefordert und waren dafür unter anderem vom Passauer Bischof Stefan Oster scharf kritisiert worden.

Heße setzt sich auch auf einem ganz anderen Gebiet von seinen konservativen Kollegen ab: Drei bayerische Bischöfe wollen das neue, liberalere katholische Arbeitsrecht zunächst nicht umsetzen, das bei Scheidung und Wiederheirat nicht mehr automatisch die Kündigung vorsieht. Das, sagt Heße, werfe bei ihm die Frage auf: "Welches Kirchenbild steckt dahinter?" Eine "Kirche der Reinen" ohne alle Lebensbrüche ist jedenfalls nicht Heßes Ideal - das wäre "eine kleine, sehr kleine Schar", sagt er.

Der Bäckersohn Heße aus Köln (dort war er auch ab 2012 Generalvikar) hält es da ganz mit Papst Franziskus, der von einer "verbeulten Kirche" gesprochen hat. "Der Papst ist immer für Überraschungen gut", sagt Heße mit Blick auf die Familiensynode in Rom im Herbst. Heße scheint zumindest keine Angst vor dem Neuen zu haben. Sein Wappen zeigt passenderweise unter anderem diesen Satz: "Bei Gott ist alles möglich."

(RP)
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