Belgrad Machtkampf um Posten und Reformen in Serbien

Belgrad · In Serbien ist mit dem Rauswurf von Superminister Mladjan Dinkic kurz vor Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen die Dreierkoalition geplatzt. Dabei galt der versierte Ökonom als einziger Garant für eine dringend nötige Reform des Staatshaushalts.

Auslöser des Machtkampfs ist eine länger zurückliegende öffentliche Bemerkung von Vizepremier Aleksandar Vucic, der zugleich Chef der Fortschrittspartei SNS ist. Im Frühjahr verlangte er zur Bekämpfung der Rezession "umfassende Personalveränderungen in der Regierung". Premier Ivica Dacic, Chef der Sozialistischen Partei (SPS), fasste das als Angriff auf sein Amt auf.

Vucic, der als politischer Ziehsohn Nikolics gilt, schwieg lange dazu, bekannte dann aber doch, dass er tatsächlich Ambitionen auf das Amt des Regierungschefs habe – jedoch nur per Wahl. Amtsinhaber Dacic, früher Propagandachef des Kriegspräsidenten Slobodan Milosevic, überrumpelte seinen Vize und verkündete ohne Rücksprache die Absetzung von Wirtschafts- und Finanzminister Dinkic, der die kleinste Koalitionspartei, die Vereinigten Regionen Serbiens (URS), anführt. "Serbien braucht einen neuen Anstoß für Reformen, wir haben keine Zeit mehr für Fehler", so Dacics Begründung.

Doch genau daran hatte sich der geschasste Finanzminister gehalten. Dinkic legte im Juni ein umfangreiches Sparpaket vor; es hatte nur den Fehler, dass es die Wählerschaft des Premiers (Arbeiter und Pensionäre) am härtesten trifft. Dacic fügte seiner Rauswurfs-Begründung noch die Drohung hinzu, dass seine SPS selbst aus der Koalition aussteigen werde, sollte Vucics SNS der Absetzung des Finanzministers nicht zustimmen. Vucic lenkte gestern nach Aussprache mit seinem Parteipräsidium ein, stimmte der Entlassung Dinkics zu und erteilte Neuwahlen eine Absage.

Dabei wären diese im Augenblick für die Fortschrittspartei (SNS) sehr verlockend, liegt sie in den Umfragen mit 45 Prozent doch klar vorn. Doch Präsident Tomislav Nikolic forderte stattdessen eine Regierungsumbildung. Nikolic gründete die SNS 2007, entsprechend hat sein Wort in der Partei Gewicht.

Der offene Machtkampf hat die Regierung geschwächt, sie verfügt nur noch über eine knappe Mehrheit – und das Misstrauen zwischen SNS und SPS ist größer denn je.

(gru)
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