Berlin "Euro Hawk": Minister räumt Fehler ein

Berlin · Die Opposition fordert den Rücktritt von Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Der lehnt persönliche Konsequenzen ab.

Thomas de Maizière sitzt seit einer Stunde alleine auf dem blauen Stuhl in der Mitte des Sitzungssaals, als SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold ihn direkt fragt, ob er der Kanzlerin seinen Rücktritt angeboten habe. "Nein", entgegnet de Maizière plötzlich hellwach und mit fester Stimme. Über Gespräche mit der Kanzlerin berichte er aber nicht.

Damit ist die Botschaft des Tages gesetzt: Die gescheiterte Anschaffung einer Aufklärungsdrohne für die Bundeswehr mag den Steuerzahler Millionen gekostet haben. Der Minister war auch frühzeitig über Probleme beim "Euro Hawk" informiert. Aber ein Rücktritt kommt für den Mann, der so eng mit der Kanzlerin ist, dass er sich den Beinamen "Merkel-Vertrauter" erarbeitet hat, nicht infrage.

Es ist der letzte Tag der Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss zum Drohnen-Debakel. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) steht als 18. von 19 Zeugen im Zeugenstand. Besser gesagt: auf der Anklagebank. Schon vor der Sitzung hatten Fachpolitiker von SPD, Grünen und Linken den Rücktritt des Ministers gefordert. Und ihn der Lüge bezichtigt.

Doch nachweisen können sie ihm das nicht. In einem einstündigen Vortrag hatte de Maizière zwar Fehler in der Kommunikation eingeräumt, ein grundlegendes Fehlverhalten aber zurückgewiesen. Er habe in einer früheren Sitzung des Verteidigungsausschusses, der als Untersuchungsausschuss fungiert, unklare Angaben zu seiner Einbindung in das Rüstungsprojekt gemacht. "Ich bedaure, dass ich mich am 5. Juni nicht klarer ausgedrückt habe." Er habe nicht den Eindruck vermitteln wollen, er habe von nichts gewusst. Der Minister hatte in der Befragung gesagt, er habe auf einer Rüstungsklausur am 1. März 2012 erstmals von Problemen beim "Euro Hawk" erfahren und sei dann erst wieder am 13. Mai dieses Jahres über die Empfehlung für einen Stopp des Projekts informiert worden. Es sei aber nicht so, dass er zwischenzeitlich nie über Probleme unterrichtet worden sei.

An diesem Punkt wird die Verteidigungsstrategie des Verteidigungsministers deutlich. Ja, in "Anlagen, Gesprächsvorbereitungen und Hintergrundpapieren" seien die Probleme skizziert worden. Aber sie seien eben stets als lösbar eingeschätzt worden. Vorlage ist eben nicht gleich Vorlage. Erst die von allen Staatssekretären unterzeichnete Ministervorlage im Mai sei eine "belastbare Entscheidungsgrundlage" gewesen, so de Maizière.

Das will die Opposition nicht auf sich sitzen lassen. Wieder und wieder werden Dokumente, Sprechzettel, Informationspapiere zitiert, die angeblich frühzeitig warnten. SPD-Obmann Arnold verweist auf einen Vermerk vom Januar 2012, in dem de Maizières Beamte schreiben, das System der Drohne stehe aufgrund der Kostenexplosion infrage. In einem weiteren Ministeriumspapier in Vorbereitung eines Treffens mit Vertretern der Firma Cassidian, der Rüstungssparte des europäischen Luftfahrtkonzerns EADS, vom Dezember 2012 ist von "erheblichen technischen und finanziellen Risiken" die Rede. "Das gilt für fast die Hälfte aller Rüstungsvorhaben", kontert de Maizière. Auch eine angeblich neue Version des Vermerks bringt ihn nicht in Not. Darin sind kritische Kommentare zum "Euro Hawk" mit grünem Textmarker geschrieben. Diese Farbe ist in der Hierarchie des Ministeriums dem Minister vorbehalten. "Diese Anmerkungen können nicht von mir sein", sagt de Maizière. Im Original seien sie nicht enthalten, heißt es im Ministerium. Wurden da nachträglich bearbeitete Dokumente weitergereicht? Aufklärung bleibt aus.

De Maizière bilanziert, dass ihm alle relevanten Fakten erst im Mai 2013 vorlagen. "Der Zeitpunkt der Entscheidung war nicht zu spät." Zu seinem Amtsantritt seien ohnehin 565 Millionen Euro — 85 Prozent der Gesamtsumme des Projekts — bezahlt oder vertraglich gebunden gewesen. "Das Projekt war bereits auf der schiefen Bahn" — ein "Geburtsfehler". Er selbst, so deutet de Maizière an, habe die Scherben aufsammeln müssen. Personelle Konsequenzen? "Es bleibt dabei, dass ich darüber nachdenke." Für den SPD-Verteidigungsexperten Lars Klingbeil ist de Maizière so oder so "irreparabel beschädigt".

(brö)
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