Warten auf Stammzellen Gehirnforscher Brüstle und Wiestler

Bonn (rpo). Seit eineinhalb Jahren wartet der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle auf Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für sein Projekt.

Brüstle (39) will gemeinsam mit seinem Kollegen Otmar Wiestler menschliche embryonale Stammzellen aus Israel importieren und daran forschen.

Im August 2000 hatten die Forscher als erste in Deutschland einen entsprechenden Antrag bei der DFG gestellt und damit eine bundesweite kontroverse Debatte ausgelöst. Drei Mal hat die DFG ihre Entscheidung bisher verschoben, um der Diskussion breiten Raum zu lassen. Den Beschluss des Deutschen Bundestages zum eingeschränkten Import von embryonalen Stammzellen begrüßte Brüstle als "positives Signal für die Forschung".

Brüstle will untersuchen, ob Spenderzellen zu Transplantationszwecken in Gehirn und Rückenmark gewonnen werden können. Dafür hat er ein Patent angemeldet. In Tierversuchen ist es ihm gelungen, eine Rückenmark-Krankheit mit Hilfe von Stammzellen zu behandeln. "Wir haben eine ärztliche Verantwortung, neue Therapien für Krankheiten zu suchen, für die es bisher wenig Heilungschancen gibt", begründete Brüstle, der eine Arbeitsgruppe am Institut für Neuropathologie der Universität Bonn leitet, sein Vorhaben.

Gemeinsam mit dem Institutsdirektor, dem aus Freiburg stammenden Gehirnforscher Otmar Wiestler (45), wurde Brüstle nicht müde, für das Projekt öffentlich zu werben. In den vergangenen Monaten vertauschten die Wissenschaftler ihre Arbeitsplätze im Institut mit öffentlichen Podien, traten in Kirchen und im Fernsehen auf, empfingen Politiker, Abgeordnete, Journalisten. Das Duo suchte den Kontakt zu Befürwortern und Kritikern gleichermaßen.

Für den Katholiken Brüstle ist die Haltung der Kirche zu dieser Thematik nur schwer vereinbar mit seiner Arbeit. Der Familienvater weiß um diesen Konflikt. Wie er in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" sagte, hoffe er, dass "eines Tages Positionen gefunden werden, in denen sich die Kirchen den neuen Entwicklungen anschließen können, ohne ihre Grundsätze über Bord zu werfen".

Beide Wissenschaftler haben sich immer für Transparenz und Kontrolle ausgesprochen. "Forschung mit embryonalen Stammzellen muss streng kontrolliert werden", betonte Brüstle. Auch Wiestler hält öffentlich kontrollierte Forschung mit strikten Auflagen für einen notwendigen Weg. Dennoch bleibt das Forschungsvorhaben umstritten. Seit es Drohungen gegen die Mediziner gab, sorgen Bodyguards für die Sicherheit der beiden Wissenschaftler, die seit mehr als zehn Jahren gemeinsam forschen.

Zu den harten Geduldsproben gehörten auch verlockende Angebote, die der aus Schwaben kommende Brüstle aus dem In- und Ausland erhielt. Erst zu Jahresbeginn verknüpfte er seine berufliche Zukunft fester mit der Bonner Universität. Brüstle, der wie Wiestler auch in den USA geforscht hatte, nahm den Ruf auf den neuen Lehrstuhl für "Rekonstruktive Neurobiologie" an der Bonner Hochschule an, wurde Professor und Institutsdirektor. Der Lehrstuhl war dort 2001 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung eingerichtet worden

(RPO Archiv)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort