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Bundestagsdebatte über Antisemitismus Wie weit reicht das Eintreten für Israel?

Berlin · Im Bundestag gibt es ein breites verbales Bekenntnis zu "kostbaren" deutsch-israelischen Beziehungen. Aber keine konkrete Einigkeit.

Neuer KMK-Chef Helmut Holter (Archiv).

Neuer KMK-Chef Helmut Holter (Archiv).

Foto: dpa, msc htf dna

Theoretisch waren sich alle Parteien im Bundestag in Sachen Israel und Antisemitismus einig: unverbrüchliche Solidarität und Eintreten für das Existenzrecht des jüdischen Staates auf der einen Seite, fassungsloses Entsetzen und Verurteilung eines zunehmenden Antisemitismus auf der anderen Seite, den auch die Linke schlicht als "Schande" bezeichnete. In der Praxis ging es dann auseinander: Die Linke zog nicht mit beim Antrag der Koalition, mit dem Israel der Rücken gestärkt werden sollte. Die Grünen hätten zwar auch mehr gewollt, etwa den Doppelpass für Israelis, votierten aber dennoch sowohl für den eigenen als auch für den gemeinsamen.

Abgeordnete von Union und FDP hatten zur Debatte über den 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels den Beistand für Juden von der Straße in den Plenarsaal gebracht: Sie waren mit Kippa erschienen. In einer ganzen Reihe deutscher Städte hatten am Vorabend Tausende Menschen durch das öffentliche Tragen der jüdischen Kopfbedeckung ihre Meinung zum tätlichen Angriff eines jungen Syrers auf einen Israeli mit Kippa mitten in Berlin ausgedrückt.

Allerdings räumte Unionsfraktionschef Volker Kauder ein Versäumnis im Vorfeld der Aktion "Berlin trägt Kippa" ein: "Vor allem hätten wir uns gewünscht, dass wir zu der Veranstaltung aufgerufen hätten und dass es nicht notwendig gewesen wäre, dass dies die Jüdische Gemeinde tut", sagte Kauder.

Wie weit die Einigkeit über einen Einsatz für Israel geht, hatte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland bereits vor der Abstimmung in Zweifel gezogen. Deutschland sei wegen des Holocaust auf "furchtbare Weise mit dem Existenzrecht Israels verbunden", und deshalb sei es richtig, die Existenz Israels zur deutschen "Staatsräson" zu erklären. Das aber bedeute im Ernstfall einer Bedrohung Israels auch, "an dessen Seite zu kämpfen und zu sterben", so Gauland. Er sei sich nicht sicher, ob das überall erkannt und geteilt werde. Prompt regte sich an dieser Stelle auch kein Beifall.

Den hatte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles eingangs der Debatte erhalten, als sie die Gründung Israels als "Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte" umschrieb: zu einem hochentwickelten Industrieland mit quicklebendiger Gründerszene, höchstem Lebensstandard im Nahen Osten und der einzigen funktionierenden parlamentarischen Demokratie in der Region. Der Applaus des ganzen Hauses war ihr auch sicher bei der Feststellung, es sei "unerträglich, wenn jüdisches Leben in Deutschland ohne Angst nicht möglich" sei.

Doch dann unterstellten sich die Fraktionen gegenseitig Defizite gegenüber Israel und Antisemitismus. Die FDP den Linken wegen Boykottaufrufen befreundeter Gruppen gegen israelische Waren, die AfD der Regierung wegen der Finanzierung von UN-Programmen für Palästinenser und von denen darin gepflegten Israel-Hasses, die Grünen der AfD wegen fehlender Distanzierung von Äußerungen ihres Politikers Björn Höcke zum Holocaust-Mahnmal. Schon gar keine Einigkeit herrschte in der Frage eines "importierten Antisemitismus", den die AfD als "Kollateralschaden einer falschen Flüchtlingspolitik" bezeichnete und die Linke so dementierte: "Antisemitismus in Deutschland gibt es nicht ausschließlich in migrantischen Milieus, sondern überall", so Fraktionschef Dietmar Bartsch.

Im Kampf gegen Antisemitismus bekräftigten die Redner zudem die Rolle der Lehrer. Kauder hatte zuvor Konsequenzen für die Lehrpläne gefordert. "Die Kultusminister der Länder gehen diese Auseinandersetzung offensiv und selbstbewusst an", unterstrich der Präsident der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter, gegenüber unserer Redaktion. "Die Fähigkeit, Verständnis für die Position des Gegenübers zu entwickeln, ist so wichtig wie das kleine Einmaleins", sagte der Thüringer Linken-Politiker.

"Nicht erst reagieren, wenn es zu spät ist"

Es reiche nicht, erst zu reagieren, wenn etwas passiert sei. Pädagoginnen und Pädagogen sollten darauf hinwirken, dass es erst gar nicht zu antisemitischen Vorfällen komme. Den Kultusministern gehe es auch darum, breitere Kenntnisse über das Judentum zu vermitteln. "Es ist wichtig, im schulischen Alltag die Vielfältigkeit des Judentums sichtbar zu machen", erklärte Holter. Allerdings handele es sich um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die nicht nur in den Schulen angegangen werden müsse.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer sieht ebenfalls neben den Schulen Gesellschaft und Elternhaus gefordert, junge Menschen vor Radikalisierung zu schützen. "Das Thema Antisemitismus ist vielfältig und ausreichend in den Lehrplänen von Nordrhein-Westfalen enthalten", versicherte die FDP-Politikerin unserer Redaktion.

(may-)
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