Bundeswehr-Skandal Totenschädelfotos: Warum?

Berlin (RP). Das Fehlverhalten Einzelner macht nach Einschätzung von Islam-Experten den ganzen Einsatz am Hindukusch potenziell gefährlicher. Aber was bringt junge Männer dazu, mit Totenkopf zu posieren?

Abscheu, Entsetzen, schnelles Handeln, Rufe nach Entlassung und "gnadenloses" Bestrafen - das waren die ersten Reaktionen in Regierung, Bundeswehr und Parteien nach dem Betrachten der Schädel-Fotos aus Afghanistan. All dies aber kann die Frage nach dem "Warum?" nicht beantworten.

Wie kommen junge deutsche Männer dazu, am frühen Morgen bei einer Patrouillenfahrt in der Nähe von Kabul einen gefundenen Schädel in die Hand zu nehmen, damit vor der Kamera des Kameraden zu posieren, ihn einer Trophäe gleich auf die Spitze eines Kabelschneiders vorne vor dem Militärjeep aufzuspießen, ihn gar obszön neben den entblößten Penis zu halten?

Eine Antwort kommt von Thomas Kliche. Der Psychologe sieht eine Mischung aus "Organisationskultur", "Psychodynamik" und "Extrem-Stress" am Werk. Für ihn ist bemerkenswert, dass dieser Vorfall erst nach mehr als drei Jahren bekannt wird - für ihn ein Zeichen für eine "hohe Gruppenkohäsion" in einer "geschlossenen Organisationsstruktur".

Die wachsende Zahl von traumatisierten Soldaten war von unserer Zeitung vergangene Woche thematisiert worden. Im WDR bestätigte Kliche diese Entwicklung und verwies auf die "extremen Stress-Situationen". Die Gefahren dürften nicht verkannt werden, könnten solche Vorfälle aber nicht entschuldigen.

Der Griff zur Kamera habe etwas mit Männlichkeit zu tun, erläuterte Kliche: "Diese kleinen Männergruppen versuchen, ihr Tun aufzuwerten, symbolisch zu übertreiben". Der Schädel auf dem Einsatzfahrzeug, schon habe man eine mythische Überhöhung, der Totenschädel als kulturelles Symbol für das tödliche Militär.

Inszenierungen, die nach Befürchtungen von Udo Steinbach, Direktor des Hamburger Orient-Institutes, den Einsatz für die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan jetzt "potenziell gefährlicher" machen. Die Störung der Totenruhe werde von den Moslems als "übles Vergehen empfunden". Den deutschen Soldaten sei in Afghanistan eine besondere Sympathie entgegengebracht worden. "Die sehr positive Wahrnehmung der Deutschen bei den unvoreingenommenen Afghanen wird dadurch Kratzer bekommen", sagte Steinbach unserer Zeitung. Für einen Teil der Islamisten gälten die Deutschen ohnehin als Besatzer. "Die Islamisten werden ein höheres Maß an Rechtfertigung und mehr emotionale Zustimmung für gewaltsame Angriffe auf die Deutschen empfinden", sagte Steinbach.

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