Hohe Ausgaben Städte in Finanznot

Köln (RP). Die Steuereinnahmen wachsen, dennoch nimmt das Defizit der Kommunen zu. Ursache sei, klagen die Gemeinden, dass der Bund ihnen immer neue Aufgaben zuweist.

Das ist das neue Sparpaket für Krefeld
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Foto: Thomas Lammertz

Die schwerste Wirtschaftskrise seit vielen Jahren ist vorbei, und die Steuereinnahmen steigen wieder. Eigentlich sollte es wie Bund und Ländern auch den deutschen Städten im einsetzenden Aufschwung allmählich besser gehen. In Wahrheit aber schließen die Kommunen 2010 als das finanziell bisher schlechteste Jahr der Nachkriegsgeschichte ab. Auf rund elf Milliarden Euro beziffert der Deutsche Städtetag das Gesamtdefizit aller Kommunen — die bisher höchste Summe überhaupt.

Der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands, Stephan Articus, schlägt Alarm: Immer mehr Städte geraten trotz striktem Sparkurs sowie Anhebung von Gebühren und Eintrittsgeldern in eine Verschuldung, aus der sie sich aus eigener Kraft gar nicht mehr befreien können. In Nordrhein-Westfalen muss nach seinen Angaben schon fast jede dritte Kommune mit einem Nothaushalt leben. Das heißt, sie unterliegt mit strengen Auflagen der Kommunalaufsicht des Landes und darf beispielsweise kaum mehr als Pflichtausgaben tätigen, nur in Ausnahmefällen Neueinstellungen vornehmen, Personal befördern und neu ausbilden.

Sozialausgaben haben sich verdoppelt

Bibliotheken, Schwimmbäder und manchmal auch Theater sind in besonders notleidenden Kommunen ohnehin schon geschlossen worden. Doch an einer Stelle können und dürfen auch die am höchsten verschuldeten Städte nicht sparen, nämlich den Sozialausgaben. Auf rund 42 Milliarden Euro dürften sich die Kosten der Kommunen dafür im zu Ende gehenden Jahr belaufen. Das ist mehr als doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren.

Vor allem die den Städten obliegenden Ausgaben für die Unterkunft von Hartz-IV-Beziehern, die Grundsicherung älterer Menschen mit nur geringer Rente, die Jugendhilfe, für Pflegebedürftige und die Eingliederung Behinderter sind regelrecht explodiert und steigen weiter.

Wenig bis gar kein Spielraum bleibt angesichts dieser Pflichtausgaben noch für soziale Vorsorge, die den Kommunen laut Articus viel wichtiger wäre: "Es ist doch besser, Geld dafür auszugeben, dass die Menschen erst gar nicht in eine Randlage geraten, als dann hohe Summen für deren Lebensunterhalt." Was den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags besonders aufbringt, ist die Tatsache, dass Bund und Länder selbst in der Krise nicht aufhören, den Kommunen per Gesetz immer wieder neue Aufgaben zuzuweisen, ohne auf die Folgekosten zu achten.

Müssen die Städte ohnehin viel Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung aufbringen, um den gesetzlichen garantierten Rechtsanspruch der Eltern zu erfüllen, sind erst in jüngster Zeit wieder neue Belastungen hinzugekommen. So vergrößert die Anhebung der Zuverdienstgrenzen für Bezieher des Arbeitslosengelds II den Kreis der Anspruchsberechtigten. Und für deren Unterkunft müssen wiederum hauptsächlich die Kommunen aufkommen.

Auch die Streichung des Wohngelds für Kinder von Hartz-IV-Beziehern trifft somit die Städte. Und der Wegfall der Rentenbeiträge für Langzeitarbeitslose wirkt sich mit höheren Ausgaben für die Grundsicherung bei den Kommunen aus, wenn die Betroffenen einmal älter sind.

Nach geltender Rechtslage aber haben die Städte noch nicht einmal einen Anspruch auf Anhörung bei derartigen, sie betreffenden Gesetzesänderungen. Articus fordert daher bessere Beteiligungsrechte für die Kommunen im Gesetzgebungsverfahren. Für "absolut unabdingbar" hält er es zudem, eine Abschätzung der Kostenfolgen aller für die Kommunen relevanten Gesetze verbindlich festzuschreiben und die kommunalen Spitzenverbände verbindlich daran zu beteiligen.

Gemeinden fordern Mitsprache bei Lastenverteilung

Das sogenannte Konnexitätsprinzip, wonach die Kosten für Aufgaben immer von der jeweils verantwortlichen Ebene zu tragen sind, steht nämlich oft nur auf dem Papier. So mussten die nordrhein-westfälischen Städte erst vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes den Anspruch erstreiten, Geld für die Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes vom Land zu bekommen. Wie dramatisch die Lage ist, kann Articus mit Zahlen belegen: Das Defizit von elf Milliarden, das nach den Berechnungen auch im kommenden Jahr nicht geringer ausfallen wird, übertrifft nicht nur die 7,2 Milliarden des Vorjahrs, sondern auch die bisherige Rekordsumme von 8,4 im zuvor schlimmsten Krisenjahr 2003.

Die kurzfristigen Kassenkredite, die eigentlich nur zur Überbrückung vorübergehender Engpässe in Anspruch genommen werden dürfen, machen in diesem Jahr sage und schreibe 40,5 Milliarden Euro aus. Immer mehr hoch verschuldete Städte setzen die Gelder notgedrungen zur Finanzierung laufender Aufgaben ein.

Die Gewerbesteuer-Einnahmen flossen im ablaufenden Jahr mit rund 34,6 Milliarden wieder etwas stärker als im Krisenjahr 2009 (32,4 Milliarden Euro), liegen damit aber immer noch deutlich unter den 41 Milliarden von 2008. Und die Investitionen, die im Zuge des Konjunkturpakets trotz der Finanznot der Kommunen wieder stiegen, dürften laut Articus 2011 nach dem Auslaufen dieser Maßnahmen wieder sinken. Keine gute Aussichten auch für den örtlichen Mittelstand, der von zum Teil von Aufträgen der Kommunen lebt.

Mehr Informationen zur Finanzlage der Städte finden Sie im Gemeindefinanzbericht 2010 des Deutschen Städtetages.

(RP)
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