Der zornige CSU-Vorsitzende Seehofers Querschuss-Zyklus

München · Am Tag seines 63. Geburtstages ist CSU-Chef Horst Seehofer mit einer unerfreulichen Aufgabe beschäftigt: dem taktischen Rückzug. Niemals habe er mit dem Bruch der Berliner Koalition gedroht, sagt der Politiker, der im vergangenen Dreivierteljahr bei drei verschiedenen Streitthemen das Ende der Berliner Koalition in Aussicht stellte.

Horst Seehofer im Profil
9 Bilder

Horst Seehofer im Profil

9 Bilder

"Das Wort (Koalitionsbruch) habe ich nie in den Mund genommen und habe auch nicht die Absicht." In dem "Stern"-Interview hatte Seehofer die restliche Koalition wissen lassen, dass die CSU weitere Rettungszahlungen an Schuldenstaaten ohne Auflagen nicht mittragen werde - und ohne die CSU habe die Koalition keine Mehrheit. Doch das, sagt Seehofer, sei keine Drohung - sondern eine "Positionsbeschreibung". Seehofers CSU-Positionsbeschreibung war Teilen der CSU neu. Dementsprechend ist die Stimmung in der Berliner Landesgruppe. Die Reaktionen auf das Interview reichten "von Kopfschütteln bis Verärgerung", sagt ein Abgeordneter.

Der neueste Zwischenfall ist keineswegs ein Einzelfall. Es wühlt in Seehofer, es arbeitet in ihm. Im bayerischen Kabinett rumpelt es derzeit dauernd. Ein Opfer: Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU). Sie warnte Seehofer bei einer internen Sitzung, das achtjährige Gymnasium in Bayern wieder abzuschaffen - und prophezeite für diesen Fall eine CSU-Niederlage bei der Landtagswahl 2013. Seehofer sei verärgert gewesen, sagen die Ministerkollegen.

Ein zweites Opfer: der für das Thema Bau zuständige Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Seehofer kritisierte im Kabinett, dass es in Bayern derzeit 50 Autobahnbaustellen gleichzeitig gibt, wie die Ministerkollegen berichten. Besonders ärgerlich: Auf der Heimfahrt von München nach Ingolstadt ist Seehofer derzeit mit einer 15 Kilometer langen Baustelle konfrontiert, auf der sich bislang aus seiner Sicht viel zu wenig tut.

Auch Söder in der Schusslinie

Auch Finanzminister Markus Söder (CSU) war mit seinem Haushaltsentwurf zwischenzeitlich in der Schusslinie: Seehofer war mit dem Ergebnis von Söders Verhandlungen so unzufrieden, dass er im Verein mit dem Koalitionspartner FDP kurzerhand neue Vorgaben machte: Die bereits ausgehandelten 3000 neuen Beamtenstellen wurden zunächst wieder einkassiert. Die neue Formel erläuterte Seehofer am Mittwoch am Rande der Landtagssitzung: "Null plus X". Nur beweisbar notwendige neue Stellen will Seehofer akzeptieren.

Die Reaktionen in Kabinett und Landtagsfraktion reichen von "Er ist eben sprunghaft" über "Menschlich unmöglich" bis zum Hinweis, dass Seehofer seine klar erkennbaren Zyklen habe: In schwierigen Situationen brilliere er oft, anschließend fühle er sich so stark, dass er über die Stränge schlage und sich selbst in Schwierigkeiten bringe. Und dann beginne der nächste Zyklus, sagt ein CSU-Mann.

Auf der Suche nach Erklärungen für Seehofers explosive Stimmung verweisen seine Parteifreunde auf die objektiv schwierige Lage: Die Euro-Krise ist ungelöst und wieder sehr viel gefährlicher geworden.
In Berlin droht der Machtverlust. Bei wichtigen Zukunftsthemen - allen voran der Energiewende - ist bislang wenig oder nichts vorangegangen. In Bayern ist die Wirtschaftslage glänzend, doch die CSU seit dem Wahldebakel 2008 in den Umfragen keinen Meter vorwärts gekommen.

Viel Grund zum Feiern hat Seehofer also nicht. Ein Geburtstags-Abendessen mit seiner Frau und seinen drei erwachsenen Kindern stehe auf dem Programm, sagt er - "eine ganz bescheidene Pizza". Immerhin lässt Kanzlerin Angela Merkel ausrichten, sie werde weiter "wunderbar" mit ihm zusammenarbeiten.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort