"Unter Schlusslichtern bei der Alterssicherung" OECD warnt vor Altersarmut in Deutschland

Berlin (RPO). Millionen Deutschen droht im Alter ein Leben in Armut. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) warnte am Dienstag, Deutschland zähle international zu den Schlusslichtern bei der Alterssicherung von Geringverdienern.

Vor dem Start des "Regierungsdialogs Rente" am Mittwoch forderte der Sozialverband VdK deshalb, Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) müsse das Sinken des Rentenniveaus stoppen. So gehörten etwa die vielen Dämpfungsfaktoren wieder abgeschafft.

Die Dialogrunde der Regierung soll Politik, Wissenschaft sowie Sozialverbände und Tarifpartner ins Gespräch bringen. Auftakt ist am Mittwoch ein Treffen der Ministerin mit dem Präsidenten der Rentenversicherung Bund, Herbert Rische, wie Leyens Sprecher Christian Westhoff der Nachrichtenagentur dapd sagte. In den kommenden Wochen tagen Arbeitsgruppen, deren Ergebnisse Anfang 2012 vorliegen und Grundlage für die Rentenreform bilden sollen.

Die OECD-Sozialexpertin, Monika Queisser, sagte der "Welt", die strikte Bindung der Rentenhöhe an Beitragszahlungen führe dazu, dass Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet und nur wenig verdient haben, im Alter armutsgefährdet sind. Auch wer lange arbeitslos gewesen sei oder Kinder erzogen habe, sei in Gefahr. Überdies sorgten viele kleine Selbstständige nur unzureichend oder gar nicht fürs Alter vor.

Ministeriumssprecher Westhoff sagte dazu, der Rentendialog widme sich genau diesen Problemen. Um Rentnern den Gang zum Sozialamt zu ersparen, gebe es schon heute die Grundsicherung, für die der Staat schon jetzt jährlich vier Milliarden Euro Steuergelder zuschieße. Er betonte, die geplante Rentenreform müsse finanzierbar bleiben und es dürfe keine "Mitnahmeeffekte" geben. So brauche etwa die Zahnarztgattin, die jahrzehntelang als Hausfrau zuhause geblieben sei, keine künstliche Aufbesserung ihrer Rente.

Beitragssenkung laut VdK kontraproduktiv

Die VdK-Präsidentin Ulrike Mascher forderte, der Staat müsse Rentenbeiträge auch bei Langzeitarbeitslosigkeit weiter zahlen und die Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten wieder abschaffen. Dies koste aber Geld. Die Regierungspläne für niedrigere Rentenbeiträge im nächsten oder übernächsten Jahr seien daher kontraproduktiv.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warnte die Regierung davor, den Rentendialog als Alibi zu nutzen, um ihre vorgefasste Position zu untermauern. Differenziert werden müsse nach Branchen und Berufen. So gingen etwa deutlich mehr Beschäftigte am Bau aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente als im Durchschnitt aller Berufe. Die Betroffenen erhielten gerade einmal 640 Euro pro Monat.

Die Linke warnte, Deutschland drohe eine Altersarmut, "die alle Dämme brechen lassen wird". Ihr Rentenexperte im Bundestag, Matthias Birkwald, sagte, notwendig seien nun ein gesetzlicher Mindestlohn, die schnellstmögliche Rücknahme aller Kürzungsfaktoren einschließlich der Rente ab 67 sowie eine Mindestrente von mindestens 850 Euro.

Auch die CSU hatte jüngst eine Aufstockung niedriger Renten aus Steuermitteln verlangt. Profitieren soll demnach von einer Rente nach Mindesteinkommen, wer trotz 35 Versicherungsjahren nicht wesentlich über das Grundsicherungsniveau hinauskommt.

(DAPD/nbe)
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