Kolumne: Politisch Inkorrekt Wir sind Teil von etwas Großartigem

Nach der Euphorie in den Wochen der Weltmeisterschaft ist der Alltag zurückgekehrt. Und er hinterlässt eine Leere. Warum immer nur stolz auf Deutschland sein, wenn Fußball gespielt wird?

Das war es also mit der Begeisterung. Schwarz-rot-goldene Fahnen und Fähnchen sind aus dem Stadtbild verschwunden. Der Jubel ebbt ab, die Feuilletons erregen sich über Gauchos, die man nicht veralbern darf. Alles wieder normal im Vaterland. Deutschland ist Weltmeister im Fußball, und das zu Recht. Freuen ist erlaubt, aber bitte nicht zu sehr!

Das Einzige, was man bemängeln könnte, ist, dass es dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, die Begeisterung für das eigene Land immer nur beim Sport gibt, vornehmlich beim Fußball, manchmal ein wenig bei Eishockey oder Formel 1. Dabei gibt es im Alltag so viel, auf das man stolz sein könnte. Deutschland hat viel zur Weltkultur beigetragen, in Literatur und Musik. Die Autos, die hier gebaut werden, sind die besten der Welt. Wir helfen rund um den Erdball bei Katastrophen, wir sind radikale Friedensfreunde. Geht es um Umwelttechnologie, macht uns niemand etwas vor. Unsere sozialen Sicherungssysteme haben ein Niveau, um das uns alle beneiden. In der Wissenschaft leisten unsere Forscher Großartiges. Und doch fürchten wir, öffentlich zu bekennen, dass wir stolz sind auf dieses Land.

Mich macht das traurig, und natürlich habe ich nicht die zwölf schrecklichen Jahre der Nazi-Herrschaft ausgeblendet. All das dürfen wir nie vergessen. Wehret den Anfängen, das ist Staatsräson. Und es ist richtig so. Doch Deutschland ist so viel mehr. Haben Sie einmal erlebt, wie Nationalfeiertage in anderen Ländern gefeiert werden? Während sich hier Funktionäre in dunklen Anzügen und Kostümen treffen, Politikerreden hören und nach der Nationalhymne ans Buffet eilen, sind das anderswo ausgelassene Feste der ganzen Bevölkerung. Alt oder jung, arm oder reich, politisch eher rechts oder links - man ist stolz auf das Heimatland.

Ich denke, es ist Zeit, unverkrampft an die Dinge heranzugehen. So wie die Millionen vor den Bildschirmen und die Hunderttausende am Brandenburger Tor, die eine Mannschaft feierten, die auch durch die berühmten deutschen Tugenden zur besten der Welt wurde. Warum nicht auch am 3. Oktober mal ein schwarz-rot-goldenes Fähnchen ans Auto klemmen? Warum nicht eine Fahne aus dem Fenster hängen, wenn ein Deutscher mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wird?

Ja, die Welt wächst zusammen und Europa noch schneller. Und doch haben wir unsere Identität und - in der Breite - Eigenschaften, die uns diese eigene Identität verleihen. Ich glaube nicht, dass wir besser sind als Menschen anderer Nationalitäten. Aber ich bin froh, dass ich zufällig in dieses großartige Land geboren wurde. Deutschland, heißt es. Unser Land.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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