Gott Und Die Welt Vermisste Menschen hinterlassen eine Leerstelle

Die Suche nach den 239 Menschen des vermutlich abgestürzten Flugzeugs entspringt dem Bedürfnis nach Gewissheit. Erst dadurch wird es möglich, den Tod zu akzeptieren.

Das Stück der Hoffnung ist 24 Meter groß. Es treibt mitten im Indischen Ozean. Und sollte es stimmen, dass dies ein Wrackteil des seit zwei Wochen vermissten Flugzeuges ist, dann ist dieses Treibgut vielleicht der Grabstein von 239 Menschen.

Die Hoffnung aber ruht dann nicht mehr darauf, dass die Maschine der Malaysia-Airlines vielleicht irgendwo notgelandet und die Passagiere samt Crew jetzt auf einer exotischen Insel auf Rettung warten. Diese Vorstellung von einem Leben im Format des Abenteuerfilms ist allenfalls ein Produkt unserer medialen Weltwahrnehmung.

Die Hoffnung vor allem der Angehörigen aber besteht darin, Gewissheit zu bekommen. Das mag allzu wenig klingen, weil Hoffnung stets in die Zukunft und somit auf das Leben zu weisen scheint. Diesmal aber richtet sich die Hoffnung auf die sogenannten Hinterbliebenen, auf die daheim Überlebenden. Und diese Hoffnung kann darin bestehen, in der Trauer nicht nur die Erinnerung an den geliebten Menschen zu bewahren, sondern auch den Tod akzeptieren zu lernen. Jeder Mensch, der stirbt, ist ein großer Verlust. Menschen aber, die vermisst bleiben, hinterlassen eine Leerstelle. Mit dem ungewissen Tod findet das Leben kein Ende und die Trauer der Hinterbliebenen keinerlei Versöhnung.

Wie viele Frauen nach Ende des Zweiten Weltkriegs haben bei der vergeblichen Suche nach ihren vermissten Söhnen, Männern und Vätern mit dieser Hoffnungslosigkeit leben müssen? Wen der Erdboden spurlos verschluckt, scheint wie ausgelöscht zu sein. Was damals die unermüdlichen Suchdienste leisteten, übernimmt heute die Hochleistungstechnik unter anderem der Satelliten. Kein Aufwand ist zu gering, weil die Flugzeug-Katastrophe 239 Notsignale aussendet: Save Our Soles, Rettet unseres Seelen.

Wie immer bei solchen Katastrophen mit vielen Toten wird auch die Fragen nach Gottes Güte gestellt. Warum Gott auch den Tod von Kindern zulasse? Das ist die Vorstellung von einem nicht nur gerechten, sondern auch allmächtigen und beherzt eingreifenden Gott. Solche Forderungen kommen uns angesichts des Todes leicht über die Lippen. Aber wären wir dann auch bereit, einen Gott zu akzeptieren, der unseren Wohlstand in Frage stellt, weil der auf Kosten vieler Menschen in der Welt geht? Ein Gott als Einsatzhelfer entspringt unserer Projektion von Superman. Gottes Trost kann dennoch Teil unserer Hoffnung sein: dass er beim Flugzeugabsturz bei den Menschen und an der Seite der Sterbenden war.

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(RP)
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