Debatte um muslimische CDU-Kanzler Das „C“ steht für weltoffen

Meinung | Berlin · Kann ein Muslim für die CDU Bundeskanzler werden? Tatsächlich diskutiert die Union über diese Frage. Man würde gern die Luft aus den vielen aufgeregten Debatten-Ballons lassen. Ein Kommentar.

 CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus in Apolda (Thüringen).

CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus in Apolda (Thüringen).

Foto: dpa/Bodo Schackow

Bundeskanzler ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. So steht es in Artikel 63 des Grundgesetzes. Die Frage, ob ein Muslim Bundeskanzler werden kann, ist damit beantwortet: selbstverständlich. Erforderlich ist lediglich, dass der- oder diejenige gewählt wird. Es ist also eigentlich ganz einfach.

Aber nicht für die CDU. In einem Interview mit der evangelischen Nachrichtenagentur Idea hatte Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, auf die Frage, ob ein Muslim im Jahr 2030 für die CDU Kanzler werden könne, geantwortet: „Warum nicht, wenn er ein guter Politiker ist und er unsere Werte und politischen Ansichten vertritt.“ Brinkhaus schlug ein Sturm der Entrüstung entgegen.

Wann immer sich ein konservativer Politiker zum Islam, zu Muslimen, zu Einwanderung öffentlich einlässt, steht schon der nächste da, wetzt die Messer, und zweifelt den Verstand des anderen an. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in diesem Themenfeld auffallend oft mit Gefühlen argumentiert wird. Und so wachsen die Debatten-Ballons auf eine immense Größe an. Viele Emotionen stecken in ihnen, und noch viel mehr heiße Luft. Man würde gern die Luft aus den vielen aufgeregten Ballons lassen.

Die von der Nachrichtenagentur aufgeworfene Frage ist von einiger Irrelevanz; sie zu stellen, nicht besonders pfiffig. Niemand denkt ernstlich über einen CDU-Kanzlerkandidaten für 2030 nach, und selbst wenn, dürften da keine Muslime im Kopf des Spekulanten umherschwirren. Wollte man sich auf diese Frage aber einlassen, so muss man schon fragen: Hat die Union wirklich Angst vor einem Muslim, der sich ein CDU-Parteibuch besorgt und sich so weit durch die Parteiebenen arbeitet, dass er ernsthaft als Kanzlerkandidat gehandelt wird?

Nun, für manche in der Union gilt das offenbar. Etwa für Vincent Kokert, CDU-Chef in Mecklenburg-Vorpommern, der in der „Bild“ so reagierte: „Beim besten Willen, ich kann nicht glauben, dass Ralph Brinkhaus das gesagt hat – nein, das glaube ich nicht!“ Oder für Elisabeth Motschmann, CDU-Abgeordnete für Bremen, die sagte: „Anders als Brinkhaus sagt, unterscheiden sich die Werte des Islam sehr wohl von unseren Werten – zum Beispiel in Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau.“ Wie gesagt, man würde dieses muslimische CDU-Mitglied gern kennenlernen, das es mit verfassungsfeindlichen Ansichten in die Parteispitze schafft.

Die Wortmeldungen zeigen auch, wie wenig die CDU offenbar ihren eigenen Mechanismen vertraut. Mitglieder, die nicht die Werte der CDU vertreten – ob sie katholisch, evangelisch, konfessionslos oder muslimisch sind – werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht Kandidaten der CDU. Dafür sorgen die Mühlen der Partei schon.

Mit solch scharfen Reaktionen konterkariert die Partei ihre Bemühungen, zur Integration aufzurufen. Die CDU könnte stolz sein, dass sie offenbar auch auf Muslime eine Anziehungskraft ausübt, obwohl sie ja das „C“ im Namen trägt, das nun recht eindeutig für „Christlich“ steht. Dem christlichen Menschenbild widerspricht es fundamental, Menschen qua Herkunft oder Religion bestimmte Werte zu- oder abzusprechen. Das „C“ steht auch für weltoffen.

(her)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort