Oskar Lafontaine stellt die Weichen - Parteitag der Linken Der willige Starthelfer für Rot-Grün in Hessen

Lollar (RPO). Linksparteichef Oskar Lafontaine war an diesem Wochenende als Starthelfer gefragt. Ein Jahr nach ihrer Gründung kam die hessische Linke zu ihrem ersten Landesparteitag im 10.000-Einwohner-Städtchen Lollar bei Gießen zusammen, um die Weichen für die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen zu stellen. Der Landesparteitag befürwortete mit großer Mehrheit die Wahl der SPD-Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin. Die Union verschärfte unterdessen ihre Angriffe auf die Linkspartei.

Die Linke in zehn Daten
Infos

Die Linke in zehn Daten

Infos
Foto: AP

Doch bevor es überhaupt zur Verabschiedung des zentralen Forderungskatalogs an SPD und Grüne kam, verhedderten sich die Delegierten in Verfahrensfragen und verloren viel Zeit durch ausufernde Redebeiträge. Erst als Lafontaine, umringt von Kamerateams den Saal betrat, kam Tempo und etwas Ordnung in das Delegiertentreffen.

"Von der Linken wird immer Verlässlichkeit gefordert", rief Lafontaine vom Rednerpult in den Versammlungssaal. Politische Zuverlässigkeit sei jedoch kein Problem der Linken. "Wir fordern Verlässlichkeit von den anderen Parteien." SPD-Chefin Ypsilanti habe schon vor Monaten den Regierungwechsel in Hessen angekündigt, sei jedoch damit gescheitert. Die Linke habe der Ablösung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zu keiner Zeit im Wege gestanden. Gescheitert sei das Projekt letztlich an mangelnder Geschlossenheit in den Reihen der SPD hinsichtlich einer Kooperation mit der Linken.

Mehr Disziplin

Lafontaine schwor die hessischen Delegierten auf mehr Disziplin ein. "Wenn unser Projekt hier gelingt, dann hat das Auswirkungen auch auf Länder über Deutschland hinaus." Ziel der Linken müsse die Regierungsbeteiligung und die Übernahme politischer Verantwortung sein. "Und deswegen dürfen wir keine größeren Fehler machen", sagte Lafontaine. Der Applaus für diese Worte war groß, die Delegierten erhoben sich von ihren Plätzen.

Die Partei erklärte sich auch bereit, einem von Rot-Grün aufgestellten Landeshaushalt für 2009 zuzustimmen, soweit dieser soziale Härten und weitere Privatisierungen von Landeseigentum vermeidet.

Lafontaine rief die Landespartei zu einem realpolitischen Kurs auf: "Wir richten den Blick auf das, was möglich ist." Der Parteitag wählte den 50-jährigen Ulrich Wilken zum neuen Landesvorsitzenden und nahm damit eine weitere wichtige Weichenstellung für ein Bündnis mit Rot-Grün vor. Wilken gehört auch der Linken-Landtagsfraktion an. Daher wird bei SPD und Grünen erwartet, dass er für die anstehenden Gespräche eine wichtige Scharnierfunktion übernehmen kann

Forderungskatalog

Für die nun anstehenden Gespräche mit SPD und Grünen beschloss der Parteitag einen 31 Punkte umfassenden Forderungskatalog. So soll es in Hessen unter anderem eine Ausbildungsplatzgarantie für alle Schulabgänger geben sowie kostenlose Kindergärten und -krippen. Das Land Hessen soll nach den Vorstellungen der Linken 25.000 öffentlich geförderte Arbeitsplätze schaffen, die öffentliche Kontrolle der Energiepreise wieder einführen und den Ausbau der Flughäfen in Frankfurt am Main und Kassel stoppen.

Sollten die ersten Gespräche mit SPD und Grünen erfolgversprechend sein, will die Linke in formelle Verhandlungen eintreten. Wilken sprach sich dafür aus, im Oktober Regionalkonferenzen durchzuführen, um die Parteibasis einzubinden. Ein Verhandlungsergebnis soll einem Mitgliederentscheid unterzogen werden. SPD, Grüne und Linke planen Ypsilanti bereits im November zur Ministerpräsidentin zu wählen, sollten sich die drei Parteien auf gemeinsame Inhalte einigen können.

Linke will mehr Einfluss im Bundesrat

Lafontaine verwies darauf, dass eine von den Linken tolerierte rot-grüne Landesregierung auch die Kräfteverhältnisse im Bundesrat verschieben würde. "Es geht nicht nur um Landespolitik", betonte Lafontaine: "Wir werden dafür sorgen, dass eine von uns mitgetragene Landesregierung im Bundesrat keinem Sozialabbau zustimmt."

Unterdessen verschärfte die Union ihre Angriffe gegen Linkspartei und SPD. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff rückte die Linke in der "Bild am Sonntag" in die Nähe des Terrorismus: "Die Linke flirtet weltweit mit Extremisten der PKK, der ETA, der Hamas, der Hisbollah." Sie arbeite zudem mit der "Roten Hilfe" zusammen, die linksextremistische Straftäter unterstütze. Er fürchte um Deutschland, weil er wisse, wohin die Reise mit der Linkspartei gehen würde. Nach Ansicht des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller würde eine rot-rote Zusammenarbeit in Hessen die Große Koalition im Bund infrage stellen.

(ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort