Integration Bayerns Innenminister sieht Defizite bei Muslimen

München (RPO). Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mahnt bei muslimischen Zuwanderern "Respekt gegenüber unserer christlich-abendländischen Werteordnung" an. Herrmann sagte in einem Interview: "Bei manchen Muslimen gibt es hier zum Teil deutliche Defizite." Erfolgreiche Integration heiße aber nicht nur Toleranz der Aufnahmegesellschaft.

Integration: Bayerns Innenminister sieht Defizite bei Muslimen
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Herrmann fügte gegenüber der Nachrichtenagentur ddp hinzu: "Wir dürfen uns nicht scheuen, anti-emanzipatorische und menschenrechtsferne Mentalitäten, Sitten, Gebräuche und Traditionen der muslimischen Minderheit klar zu thematisieren." Er sage daher "ganz klar: Für die Unterdrückung von Frauen oder die Scharia ist bei uns kein Platz."

"Minarettverbot als Warnsignal"

Der CSU-Politiker betonte, die Schweizer Volksabstimmung gegen den Bau von Minaretten sollte als Warnsignal verstanden werden. Er fügte hinzu: "Auch bei uns gibt es ein emotionales Unbehagen vieler Mitbürger gegenüber einer wachsenden, kulturellen Entfremdung."

Herrmann verwies zugleich darauf, dass "deutsche Staatsangehörige oder hier aufgewachsene Personen" eine immer wichtigere Rolle im Netzwerk des islamistischen Terrorismus spielten. Er betonte: "Wir beobachten hier zunehmend eine Radikalisierung, die bis zur Ausbildung in speziellen Trainingscamps reicht."

Dabei spiele das Internet eine immer wichtigere Rolle, da die "Homegrown-Terroristen" zunehmend über Video- oder Audiobotschaften beeinflusst und gesteuert würden. Der Innenminister fügte hinzu: "Es handelt sich oft um labile Menschen mit Identitätsproblemen, die ein idealer Nährboden für islamistische Fanatiker sind."

Edathy: Besorgnis über Islamophobie in Deutschland

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, warnt vor einem weiteren "Anwachsen der Islamophobie" in der Bundesrepublik. Dieser Entwicklung müssten alle Bürger gemeinsam Einhalt gebieten, sagte Kolat der Nachrichtenagentur ddp. Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy nannte die "islamophoben Tendenzen" erschreckend. Er betonte, bei den Muslimen in Deutschland sei eine "generelle Radikalisierung" nicht festzustellen.

Kolat sagte, man müsse "natürlich die Ängste der Mehrheitsbevölkerung ernst nehmen". Umgekehrt müssten aber in Deutschland auch "die Ängste und Verunsicherungen bei den Minderheiten" zur Kenntnis genommen werden. Kolat forderte: "Wir brauchen eine Anerkennungs- und Empathiekultur." Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde sprach sich zugleich für eine verstärkte Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Migrantenverbänden aus.

Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, sieht Handlungsbedarf in der Integrationspolitik. Freiberg sagte, die "Islamisierung" nehme in Deutschland deutlich zu. Er fügte hinzu: "Ob das in eine Radikalisierung umschlägt, hängt davon ab, ob sich die Integrationsdefizite noch vergrößern."

Erst langsam schimmere "die Erkenntnis durch", dass man beim Thema Integration sowohl von den Zugewanderten als auch "von der deutschen Gesellschaft mehr Anstrengungen verlangen muss". Freiberg betonte: "Viele Kulturen, die nebeneinander existieren, aber sich auch gegenseitig ignorieren, können keine Gesellschaft bilden. Aber eine gemeinsame neue Kultur, in der viele Ethnien atmen können, wäre eine Chance." Dies alles müsse "natürlich unter dem Dach unserer Verfassung, unserer Rechtsordnung geschehen".

Edathy sagte, die "breite Mehrheit der Muslime" in Deutschland sei friedlich und stehe auf dem Boden des Grundgesetzes. Der SPD-Innenexperte mahnte: "Gerade im Umgang mit Minderheiten sollte sich die Mehrheitsgesellschaft immer wieder vor Augen führen, dass Ausgrenzung nicht zur Integration beiträgt, sondern dazu, dass sich Menschen aus unserer Gesellschaft zurückziehen und sich von unserem Wertesystem abwenden." Wer in Deutschland damit liebäugele, die Religionsfreiheit einzuschränken, sollte sich "darüber klar sein, dass er damit nicht Extremismus entgegenwirkt, sondern ihn fördert".

Zuwandererkinder gehen seltener in Kitas als gleichaltrige Deutsche

Zuwandererkinder besuchen seltener eine Kita als Gleichaltrige deutscher Abstammung. Das zeigt eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung, die der Nachrichtenagentur ddp vorliegt.

Dem "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" zufolge gehen in Westdeutschland nur 84 Prozent der Migrantenkinder zwischen drei und sechs Jahren in eine Kindertagesstätte. Bei den deutschen Kindern sind es 93 Prozent. Je nach Bundesland gibt es jedoch eine deutlich größere Schere zwischen beiden Gruppen - insbesondere in Schleswig-Holstein. Während hier 91 Prozent der deutschen Drei- bis Sechsjährigen eine Kindertagesstätte besuchen, sind es nur 60 Prozent der Kinder aus Migrantenfamilien.

Ähnlich auffällige Unterschiede gibt es demnach in Bayern (95 zu 75 Prozent), Bremen (96 zu 75 Prozent) und Berlin (100 zu 80 Prozent). Für Ostdeutschland liegen der Stiftung zufolge keine repräsentativen Daten vor. Dort sei der Anteil der Zuwandererkinder an der Bevölkerung zu gering.

"Wir müssen die Barrieren abbauen, die Kinder aus Zuwandererfamilien heute vom Besuch einer Kindertageseinrichtung fernhalten", sagte Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Sonst werde die Chance verschenkt, diese Kinder gezielt zu fördern und auch ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.

Das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld sei dagegen der "völlig falsche Anreiz", mahnte Dräger. Ab 2013 plant die schwarz-gelbe Koalition ein Betreuungsgeld, das als Alternative zu der dann gesetzlich zugesicherten Kinderbetreuung gezahlt werden soll. Vorgesehen ist eine Höhe von 150 Euro für Kinder unter drei Jahren, die zu Hause betreut werden.

(DDP/felt)
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