Eklat bei Konstituierender Sitzung des Bundestags AfD empört mit Göring-Vergleich

Als "Geschmacklosigkeit" empfanden die übrigen Parteien die erste Rede eines AfD-Abgeordneten im Bundestag. Grund war – wie befürchtet – ein schräger Nazi-Vergleich.

 Der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann während seiner Rede vor dem Bundestag.

Der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann während seiner Rede vor dem Bundestag.

Foto: dpa, gfh

Als "Geschmacklosigkeit" empfanden die übrigen Parteien die erste Rede eines AfD-Abgeordneten im Bundestag. Grund war — wie befürchtet — ein schräger Nazi-Vergleich.

Das Strickmuster der AfD ist längst bekannt: Provozieren mit etwas, das im Kern schlecht zu widerlegen ist, aber dabei so übertreiben, dass es einen doppelten Effekt ergibt: Die Gegner sind empört und sorgen für noch mehr Aufmerksamkeit, auf dass noch mehr Menschen erreicht werden und sich die eigenen Anhänger bestätigt fühlen. Ein Musterbeispiel dafür lieferte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, gleich zu Beginn der Konstituierenden Sitzung des Bundestages am Dienstag.

Tatsächlich hatten sich die Fraktionen der großen Koalition in eine unrühmliche historische Gesellschaft begeben, als sie kurz vor dem Ende der parlamentarischen Arbeit des letzten Bundestages schnell noch die Geschäftsordnung änderten. Sie entschieden mit ihrer Mehrheit, dass künftig nicht mehr der an Lebensjahren Älteste sondern an Jahren der Parlamentszugehörigkeit Erfahrenste den neu gewählten Bundestag eröffnen soll. Das neue Prinzip hat viel für sich. Doch zu auffällig war der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Willen zu einer Änderung der Vorschriften und dem Erstarken der AfD und dem wahrscheinlicher werdenden Fakt, dass der AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg der Lebensälteste im nächsten Bundestag sein würde.

Ein Blick in die lange Geschichte von Parlamentseröffnungen in Deutschland hielt Union und SPD nicht davon ab, den Schritt zu wagen. Immer war zunächst der älteste Abgeordnete aufgerufen, als Alterspräsident die Eröffnungsrede zu halten, nur einmal war dieser Passus in der Geschäftsordnung geändert und der Alterspräsident abgeschafft worden: Mit Blick auf Anfang März 1933, als der vormalige Parlamentspräsident Hermann Göring von den Nationalsozialisten im neuen Reichstag das Rede- und Eröffnungsrecht für sich beanspruchte.

Dass die AfD damit ein brisantes Argument in die Hand bekam, bei der Eröffnungssitzung Stimmung zu machen, muss den Großkoalitionären klar gewesen sein. Sie riskierten es trotzdem — wohl in Erinnerung an für viele schwer erträgliche Auftritte vorangehender Alterspräsidenten, etwa von dem parteilosen Schriftsteller Stefan Heym. Der war mit der PDS in den Bundestag gekommen und machte sich in seiner Rede erst einmal über DDR-Flüchtlinge und ihre oberflächliche Konsumneigung lustig. Danach entspann sich ein Streit darum, ob es gut entschieden war von der Bundesregierung, die Tradition einer Veröffentlichung von Eröffnungsreden zu unterbrechen.

Von den Akteuren der Geschäftsordnungsänderung wurde argumentiert, dass die ganze Welt auf die Eröffnung des Bundestages schaue und sie Schaden vom Ansehen Deutschlands fernhalten wollten. Wenn es zu diesem Anlass als erstes fragwürdige Vergleiche aus dem Mund eines AfD-Politikers gebe, der schon zuvor mit umstrittenen Sprüchen aufgefallen war, werde ein Trommelfeuer der Kritik auf den alten Bundestag niedergehen, verbunden mit der Frage, warum man diese Fehlleistung nicht mit einer einfachen Geschäftsordnungsänderung verhindert habe.

Baumann kritisiert unangemessen - und das auch noch historisch falsch

Allerdings lieferte die alte Koalition mit der durchsichtigen Korrektur zugleich den Stoff, den Baumann ergriff, um doch einen fragwürdigen, ja inakzeptablen Vergleich zu basteln. Zunächst stellte er jedoch die geschichtlichen Abläufe falsch dar. Er behauptete, 1933 habe Göring die Regel gebrochen, weil er politische Gegner habe ausgrenzen wollen, "damals Clara Zetkin". Das stimmt nicht einmal im Ansatz. Die Kommunistin war 1932 Alterspräsidentin gewesen. Bei der Konstituierung des Reichstages 1933 war die Gleichschaltung nach der nationalsozialistischen Machtübernahme bereits im Gange. Wenn es der älteste Abgeordnete geworden wäre, hätte dafür der Nationalsozialist Karl Litzmann zur Verfügung gestanden. Aber Göring wollte lieber selbst ran.

Baumann konstruierte jedoch weiter an diesem Vergleich und überdrehte ihn mutwillig: "Wollen Sie sich auf solch schiefe Bahn begeben?", fragte der AfD-Politiker und stellte damit die anderen Parteien unter Nazi-Verdacht, gefolgt dann auch noch von der Aufforderung: "Kommen Sie zurück auf die Linie der deutschen Demokraten." Damit habe sich, so FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann, der AfD-Politiker "an Geschmacklosigkeit selbst übertroffen". Und der Bundestag hatte genau den Vergleich, den er eigentlich verhindern wollte.

(may-)
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