Zwei Reporter erinnern sich Watergate - als Nixon stürzte

Washington · Vor 40 Jahren deckten zwei Lokalreporter der "Washington Post" die Abhör-Affäre auf. In der Folge musste der damalige republikanische US-Präsident Richard Nixon zurücktreten. Die Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward erinnern sich.

 Der republikanische US-Präsident Richard Nixon kündigte in der Nacht zum 9.8.1974 in einer Rundfunk- und Fernsehansprache seinen Rücktritt an.

Der republikanische US-Präsident Richard Nixon kündigte in der Nacht zum 9.8.1974 in einer Rundfunk- und Fernsehansprache seinen Rücktritt an.

Foto: dpa, UPI

Es liegt auf der Hand, diese Frage zu stellen. Hätte es 1972 schon Google gegeben, wären die Watergate-Recherchen anders verlaufen? Schneller? Tja, sagt Bob Woodward und verzieht seinen Mund zu einem ironischen Grinsen, mancher stelle sich das heute wohl ein bisschen zu einfach vor. Bei Google den Suchbegriff "Geheime Kassen" eingeben, und schon sprudle die Datenquelle. "Aber das wirklich gute Zeug gibt's nicht im Internet." Ganz richtig, pflichtet Carl Bernstein bei, am Wesentlichen habe sich nichts geändert in 40 Jahren. "Du musst mit Leuten reden. Du erfährst Sachen, indem du zuhörst."

 Carl Bernstein (l) und Robert Woodward freuen sich. Gerade haben sie erfahren, dass die "Washington Post" für ihre Enthüllungen in der "Watergate-Affäre" mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wird. Die Aufnahme stammt vom 7. Mai 1973.

Carl Bernstein (l) und Robert Woodward freuen sich. Gerade haben sie erfahren, dass die "Washington Post" für ihre Enthüllungen in der "Watergate-Affäre" mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wird. Die Aufnahme stammt vom 7. Mai 1973.

Foto: dpa, UPI

Woodward, braun gebrannt, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen, lässt an einen Hollywood-Veteranen denken, Bernstein mit Brille und schlohweißem Haar eher an einen gealterten Sparkassendirektor. Die beiden sitzen in bequemen Sesseln und feiern eine Sternstunde des Journalismus, standesgemäß am Tatort, im Watergate-Komplex.

 Bob Woodward und Carl Bernstein 40 Jahre später. Sie bezweifeln angesichts des allgegenwärtigen Kostendrucks, ob so etwas wie ihre Watergate-Recherchen auch heute noch möglich wären.

Bob Woodward und Carl Bernstein 40 Jahre später. Sie bezweifeln angesichts des allgegenwärtigen Kostendrucks, ob so etwas wie ihre Watergate-Recherchen auch heute noch möglich wären.

Foto: dapd, Alex Brandon

Im Grunde ist es eine Erinnerungsfeier. Erkennbar nostalgisch, weil sich die Hauptakteure um einen 90-jährigen Greis gruppieren und ihn hochleben lassen wie den Seniorchef einer nicht mehr ganz so erfolgreichen Erfolgsfirma. Ben Bradlee, seinerzeit Chefredakteur des Hauptstadtblatts "Washington Post", hatte die beiden Reporter machen lassen, ihnen Zeit gegeben. "Gebt nicht auf! Bleibt dran an der Story!", zitiert ihn Woodward.

So etwas wie wehmütige Erinnerung an alte Größe schwingt mit im Raum, denn die "Washington Post" hat kräftig Federn gelassen. Allein in den letzten zwölf Monaten verlor sie knapp acht Prozent an Auflage, typisch für die Krise der amerikanischen Tageszeitungen, die in der Folge immer drastischer sparen. Kein Wunder, dass Leonard Downie, Bradlees Nachfolger im Chefsessel, den investigativen Journalismus in Gefahr sieht. "Wer würde das heutige Watergate aufdecken?"

Rückblende. Der 17. Juni 1972. Nachts schöpfte ein Wachmann in den Watergate-Korridoren Verdacht, angesichts eines Klebebands. Ein ähnliches hatte er bereits bei einem vorangegangen Rundgang entfernt, er wusste, dass die Putzfrauen solche Bänder über die Türen klebten, damit letztere nicht ins Schloss fielen und sich mit der Hüfte leicht aufstoßen ließen. Aber nach Mitternacht waren keine Putzkolonnen mehr unterwegs.

Die herbeigerufene Polizei nahm fünf Einbrecher fest. Sie waren zurückgekehrt ins Hauptquartier der Demokratischen Partei, weil eine Wanze nicht mehr funktionierte. Sie sollte ausgetauscht werden, damit die "Klempner" weiterhin mithören konnten, jene "Plumber", die das Weiße Haus rekrutiert hatte, um undichte Stellen aufzuspüren, so dass brisante Informationen nicht länger an die Presse durchsickern konnten.

Als sich Woodward und Bernstein der Sache annahmen, schien es ein x-beliebiger Einbruch zu sein. Nur so bekamen die jungen Lokalredakteure, der eine 28, der andere 29, überhaupt ihre Chance, sonst hätten sich wohl die Koryphäen des Blatts um den Fall gekümmert.

Dann der Fund eines Polizeireporters: In Adressbüchern der Täter standen neben dem Namen eines gewissen Howard Hunt interessante Kürzel, "WH" beziehungsweise "W House". Bald war Hunt ausfindig gemacht, ein früherer CIA-Agent, der für Richard Nixons Rechtsberater gearbeitet hatte.

Ein hochrangiger FBI-Beamter bestärkte die Journalisten bei ihrer Spurensuche. Der Beamte erzählte von systematisch betriebenen illegalen Aktionen, mit denen US-Präsident Richard Nixon politische Rivalen ebenso wie Kritiker des Vietnamkrieges ausspionieren ließ beziehungsweise erpressen wollte. Der damals noch unbekannte Informant wurde wegen seiner tiefen Stimme "Deep Throat" genannt. Er tauchte zu nächtlicher Stunde in verlassenen Parkhäusern auf.

Wollte Woodward ein Treffen arrangieren, rückte er auf seinem Balkon einen Blumenkübel mit rotem Fähnchen an eine bestimmte Stelle. "Ich war erst 29, und ich dachte, so verabredet man sich eben", scherzt er im Nachhinein. Dass sich hinter "Deep Throat" der FBI-Vize Mark Felt verbarg, weiß man seit 2005, als der Rentner sein Schweigen brach.

Einmal, Mitte der Siebziger, hat Woodward ihn gefragt, ob er nicht aus der Deckung kommen wolle. "Da fiel der Hörer in die Gabel." Nixon kam einem Amtsenthebungsverfahren zuvor, indem er am 9. August 1972 seinen Rücktritt verkündete.

40 Jahre Watergate — es ist klar bei so einem Schlüsselereignis, dass die Protagonisten nicht nur in Erinnerungen schwelgen, sondern auch den historischen Bogen schlagen, vom Jahr 1972 ins Jahr 2012. Damals, betont Bernstein, hätten Demokraten und Republikaner zusammengearbeitet, um Nixons Netz illegaler Machenschaften aufzudröseln. Er wisse gar nicht, ob eine solche Kooperation angesichts tiefer Parteigräben noch möglich sei, bekennt Bernstein skeptisch. Und fasst prägnant zusammen, wie er sich fühlte, als die Lawine Watergate ins Rollen kam: "Es ist, als würde man in eine lauwarme Badewanne steigen, und dann wird das Wasser mit jedem Tag heißer."

(RP/pst/jre)
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