Anklage wegen Steuerhinterziehung Julia Timoschenko droht neue Haftstrafe

Kiew · Der inhaftierten ukrainischen Oppositionsführerin Julia Timoschenko droht bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung eine weitere Gefängnisstrafe. Der ukrainische Staatsanwalt Mikola Hrabik erklärte am Dienstag, Timoschenko habe in ihrer Zeit als Vorsitzende eines Energieunternehmens Mitte der 90er Jahre Steuern hinterzogen.

Ukrainer demonstrieren für Timoschenkos Freilassung
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Sie habe der Regierung so einen Schaden in Höhe von mehreren Millionen Dollar zugefügt. Bei einer Verurteilung drohen Timoschenko zwölf Jahre Haft. Derzeit verbüßt sie eine achtjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs. Westliche Länder haben das Urteil als politisch motiviert kritisiert. Timoschenko hat die Anschuldigungen zurückgewiesen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat derweil in einem weitreichenden Urteil die Justizwillkür in der Ukraine verurteilt. Der Fall betraf die Festnahme und Inhaftierung des früheren Innenministers der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, Juri Luzenko, im Jahr 2010.

Die Festnahme und Inhaftierung des Politikers sei "willkürlich und ungesetzlich" gewesen, urteilte der Gerichtshof am Dienstag. Die Richter gingen nicht soweit, ausdrücklich von "politischer Justiz" zu sprechen, doch ging das Urteil in diese Richtung. Luzenkos Klage, seine Verhaftung habe dazu gedient, ihm vom politischen Leben und von den nächsten Parlamentswahlen auszuschließen, prüften die Richter sehr genau und kamen zu dem Schluss, dass die Beschränkung seiner Freiheit "auch andere Gründe" gehabt habe.

Die Richter sprachen Luzenko eine Entschädigung von 15 000 Euro zu. Der Politiker büßt eine vierjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs ab.

Die ukrainischen Behörden hätten Luzenkos Inhaftierung nicht stichhaltig begründet. Sie hätten den Ex-Minister auch nicht über die Gründe seiner Haft informiert, hieß es in dem Urteil. Verletzt wurden unter anderem das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Menschenrechtskonvention und auf Information über die Gründe einer Haft.

Luzenkos Verteidigerin Valentina Telitschenko nannte das Urteil einen "Meilenstein". "Die Entscheidung ist äußerst folgenschwer für die Ukraine", sagte sie dem TV-Sender Fünfter Kanal. Die Urteile des EGMR sind bindend. Die Ukraine sollte dafür sorgen, dass sich derartige Fälle nicht wiederholen. Allerdings ist das Urteil nicht endgültig, dagegen kann Berufung beantragt werden.

Der Richterspruch stärkt die Kritiker von Staatspräsident Viktor Janukowitsch, die ihm "Siegerjustiz" vorwerfen, um die Opposition vor der Parlamentswahl im Herbst politisch kaltzustellen. In den vergangenen Monaten waren einige frühere Ressortchefs Timoschenkos verurteilt worden. Timoschenko selbst war im Oktober 2011 in einem international kritisierten Prozess wegen eines umstrittenen Gasgeschäfts mit Russland - auch hier lautete die Anklage auf Amtsmissbrauch - zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.

(APD)
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