Bericht von Human Rights Watch Die Foltermethoden des syrischen Regimes

New York · Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat nach eigenen Angaben 27 Gefängnisse in Syrien identifiziert, in denen systematisch gefoltert wird. Der Bericht listet die genaue Lage, die angewandten Foltermethoden, die zuständige Behörde und oft auch den verantwortlichen Kommandeur auf. Die Organisation führte über 200 Interviews mit ehemaligen Häftlingen und Überläufern aus den Folterzentren.

Folter in Syrien
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Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat nach eigenen Angaben 27 Gefängnisse in Syrien identifiziert, in denen systematisch gefoltert wird. Der Bericht listet die genaue Lage, die angewandten Foltermethoden, die zuständige Behörde und oft auch den verantwortlichen Kommandeur auf. Die Organisation führte über 200 Interviews mit ehemaligen Häftlingen und Überläufern aus den Folterzentren.

Human Rights Watch betont in dem Bericht die dokumentierten systematischen Muster von Misshandlung und Folter. Diese deuteten darauf hin, dass dieses Vorgehen Teil der offiziellen Politik sei und deshalb ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstelle. Die Organisation rief den UN-Sicherheitsrat auf, die Lage in Syrien an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu überweisen und gezielte Sanktionen gegen Beamte zu verhängen, die nach ihren Informationen in die Verstöße verwickelt seien.

"Die Geheimdienste betreiben ein Netz von Folterzentren, die über das ganze Land verteilt sind", so Ole Solvang, Human Rights Watch-Experte für Krisenregionen. "Wir veröffentlichen deren Lage, beschreiben die dort eingesetzten Foltermethoden und nennen ihre Leiter beim Namen, um ihnen klar zu machen, dass sie sich für diese schrecklichen Verbrechen verantworten müssen."

In dem Bericht werden laut der Organisation nur jene Einrichtungen genannt, bei denen mehrere Zeugen übereinstimmende Angaben zur Lage machten und die eingesetzten Foltermethoden im Detail beschrieben. Die tatsächliche Anzahl von Hafteinrichtungen, die von den Geheimdiensten genutzt werden, sei wahrscheinlich deutlich höher.

Ex-Häftlinge beschreiben Foltermethoden

Praktisch alle ehemaligen Häftlinge, die Human Rights Watch befragte, sagten, sie seien während ihrer Haft selbst gefoltert worden oder seien Zeuge geworden, wie andere Gefangene gefoltert wurden. Diejenigen, die die Verhöre führten, Wärter und andere Beamte hätten ein breites Spektrum von Foltermethoden eingesetzt. So seien Opfern über längere Zeiträume Schläge, oft mit Objekten wie Stangen und Kabeln, zugefügt worden oder man habe sie über längere Zeit in schmerzhaften Zwangshaltungen fixiert.

Außerdem seien Elektroschocks eingesetzt worden. Es habe Verätzungen mit Säure ebenso wie Scheinhinrichtungen gegeben. Zusammengenommen dokumentierte Human Rights Watch über 20 verschiedene Foltermethoden, die von Sicherheits- und Geheimdienstkräften angewendet worden seien.

In den meisten Fällen wurden die befragten Ex-Häftlinge laut dem Bericht mehrerer dieser Foltermethoden unterworfen. Ein 31-Jähriger, der im Juni im Regierungsbezirk Idlib verhaftet wurde, schilderte gegenüber Human Rights Watch, wie Geheimdienstbeamte ihn im Zentralgefängnis von Idlib folterten.

"Sie zwangen mich, mich auszuziehen. Dann begannen sie, meine Finger mit Zangen zu quetschen. Dann schossen sie mir Heftklammern in Finger, Oberkörper und Ohren. Ich durfte sie erst herausnehmen, wenn ich bereit war zu reden. Die Klammern in den Ohren taten am schlimmsten weh. Über zwei Kabel, die mit einer Autobatterie verbunden waren, gaben sie mir Elektroschocks. Zweimal benutzten sie Elektroschockpistolen an meinen Genitalien. Ich dachte, ich würde meine Familie nie wiedersehen. Auf diese Weise folterten sie mich über drei Tage insgesamt dreimal."

Obwohl die meisten von Human Rights Watch befragten Folteropfer junge Männer zwischen 18 und 35 Jahren waren, gehörten zu den Opfern auch Kinder, Frauen und Senioren.

Brutalste Folter in Geheimdienst-Gefängnissen

Die Recherchen von Human Rights Watch ergaben, dass sich die schlimmsten Folterfälle in den Haftanstalten ereigneten, die von den vier wichtigsten Geheimdiensten betrieben werden, die oft pauschal als mukhabarat bezeichnet werden. Jede dieser vier Behörden unterhält demnach eine Zentrale in Damaskus und regionale, städtische und lokale Abteilungen im gesamten Staatsgebiet. Zu praktisch allen dieser Abteilungen gehören Hafteinrichtungen verschiedener Größe.

Alle von Human Rights Watch befragten Zeugen beschrieben Haftbedingungen, die schon für sich allein genommen eine Form von Misshandlung, in manchen Fällen sogar von Folter, darstellen. Dazu gehören extreme Überbelegung, unzureichende Ernährung und die routinemäßige Verweigerung medizinischer Versorgung. Ein in dem Bericht enthaltenes 3D-Modell veranschaulicht die von einem Ex-Häftling beschriebene Überfüllung einer Zelle, die klar gegen internationale Rechtsnormen verstößt.

Der 78-seitige Bericht "Torture Archipelago: Arbitrary Arrests, Torture and Enforced Disappearances in Syria's Underground Prisons since March 2011" enthält Karten mit den Positionen der Hafteinrichtungen, Videos von Aussagen ehemaliger Häftlinge und schematische Zeichnungen der Foltermethoden, die von zahlreichen Opfern und Augenzeugen beschrieben wurden.

(das/sap)
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