Mindestens 6000 Festnahmen Hunderte Frauen protestieren gegen Polizeigewalt in Belarus

Minsk · „Schämt euch“, rufen die Frauen den Polizisten zu, die in den vergangenen Tagen Proteste gegen Präsident Alexander Lukaschenko brutal niedergeschlagen haben. Mindestens 6000 Menschen sind seit Sonntag festgenommen worden.

 Demonstrantinnen in weißer Kleidung machen Peace-Zeichen mit den Händen und halten Blumen und protestieren in Solidarität mit den Demonstranten, die bei den Protesten gegen Wahlfälschungen verletzt wurden.

Demonstrantinnen in weißer Kleidung machen Peace-Zeichen mit den Händen und halten Blumen und protestieren in Solidarität mit den Demonstranten, die bei den Protesten gegen Wahlfälschungen verletzt wurden.

Foto: dpa/Uncredited

Den vierten Tag in Folge sind Demonstranten in Belarus gegen den umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko auf die Straße gegangen. Unter anderem Hunderte Frauen protestierten am Mittwoch in der Hauptstadt Minsk und verurteilten die Brutalität, mit der die Polizei Demonstrationen gegen den angeblichen Wahlsieg Lukaschenkos am Sonntag niedergeschlagen hatte. Mindestens 6000 Menschen wurden dabei nach offizieller Darstellung bisher festgenommen und Hunderte verletzt. Ein Mensch starb.

„Schämt euch“, skandierten die Frauen, die am Mittwoch in mehreren Stadtteilen von Minsk Menschenketten bildeten, und ein Ende der Polizeibrutalität forderten. Auch ihre friedliche Kundgebung wurde aufgelöst, doch nicht mit solcher Härte wie die Demonstrationen in den Nächten zuvor.

Die Demonstranten zweifeln das vorläufige amtliche Wahlergebnis vom Sonntag an, dem zufolge der seit 1994 amtierende Lukaschenko 80 Prozent der Stimmen eroberte und sich damit eine sechste Amtszeit sicherte. Seine schärfste Rivalin Swetlana Tichanowskaja kam demnach auf zehn Prozent und flüchtete am Dienstag nach Litauen.

Selbst für Lukaschenko, der als „letzter Diktator Europas“ gilt und das Land seit 26 Jahren mit eiserner Faust regiert, war die Brutalität, mit der die Sicherheitskräfte vorgingen, ungewohnt. Die Polizei setzte Tränengas, Blendgranaten, Wasserwerfer und Gummigeschosse ein und schlug die Demonstranten mit Knüppeln. Einige schwarz gekleidete Beamte verfolgten Demonstranten bis in Wohnhäuser und gingen gezielt gegen Journalisten vor, denen sie unter anderem ihre Kameras zerbrachen.

„Wir stehen für einen friedlichen Protest“, sagte die 23-jährige Xenia Iljaschewitsch, die am Mittwoch in Minsk demonstrierte. „Wir haben den Mut aufgebracht, um zu demonstrieren ... Hunderttausende Belarussen haben sich solidarisch mit uns gezeigt, aber sie haben Angst.“

Lukaschenko spielte den Protest gegen ihn herunter. „Der Kern dieser sogenannten Demonstranten sind Leute mit krimineller Vergangenheit und welche, die im Moment arbeitslos sind“, sagte er am Mittwoch.

Die belarussische Menschenrechtsgruppe Wjasna berichtete, viele bei Zusammenstößen mit der Polizei verletzte Demonstranten trauten sich nicht, sich medizinisch behandeln zu lassen. „Wir haben Informationen, dass medizinisches Personal verpflichtet ist, alle Verletzungen und Wunden der Polizei zu melden“, sagte Wjasna-Anwalt Pawel Sapelko. „Und Ärzte sehen die Protestierenden nicht als Opfer, sondern eher als Feinde der Stabilität von Belarus.“

Die staatliche Nachrichtenagentur Belta meldete am Mittwoch, die Polizei habe „Koordinatoren der Massenkrawalle“ in Minsk festgenommen. Unter den Festgenommenen waren nach Angaben des belarussischen Journalistenverbandes fast 30 Journalisten. Drei seien bereits zu 10 bis 15 Tagen Haft verurteilt worden und 25 seien noch bis zu ihrer Anhörung in Gewahrsam.

Die EU-Außenminister wollen am Freitag über die Lage in Belarus beraten. US-Außenminister Mike Pompeo bekräftigte am Mittwoch bei einem Besuch in Tschechien die Bedenken der USA über die Wahl in Belarus. „Sie wurde nicht in fairer und freier Weise abgehalten“, sagte er.

(juw/dpa)
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