"Höhepunkt in meinem beruflichen Leben" Per Anzeige ins All: Ulf Merbold hebt vor 20 Jahren ab

Köln (rpo). Als Ulf Merbold vor 20 Jahren am 28. November 1983 zu seinem Erstflug aufbrach, war er der erste Nicht-Amerikaner auf einer US-Shuttle-Mission. Seitdem steht er in der Rekordliste der deutschen Astronauten und Kosmonauten ganz oben.

Ulf Merbold im All
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Foto: AP

Er hat es bei seinen drei Missionen auf insgesamt 55 Tage im Weltraum gebracht. Kein Deutscher war öfter im All, und er ist auch der Einzige, der sowohl bei amerikanischen wie auch russischen Missionen geflogen ist.

Den 28. November 1983 wird er nie vergessen. An jenem Tag um 17.00 Uhr MEZ startete im Kennedy-Space-Center die US-Raumfähre "Columbia" zu der zwölftägigen STS-9-Mission.

In der Ladeluke das Spacelab, Europas Eintrittskarte in den Weltraum, und mit an Bord als erster Bundesbürger und Westeuropäer Ulf Merbold. "Es war der Höhepunkt in meinem beruflichen Leben", sagt der heute 62 Jahre alte Stuttgarter Physiker.

Alles fing mit einer Stellenanzeige an

Angefangen hatte Merbolds Raumfahrtabenteuer mit einer ungewöhnlichen Anzeige, die im Spätwinter 1977 in mehreren überregionalen bundesdeutschen Tageszeitungen unter der Rubrik "Stellenangebote" erschienen war: "Wissenschaftler im Weltraumlabor gesucht", annoncierte die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR, heute DLR).

Europaweit meldeten sich mehr als 2000 Bewerber, unter ihnen der diplomierte und promovierte Physiker Merbold vom Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart.

Merbold gehörte zu den Wenigen, die alle Tests bestanden und alle Voraussetzungen erfüllten. Zusammen mit dem Niederländer Wubbo Ockels wurde er schon 1978 für die Feuertaufe des Spacelab nominiert. Die allerletzte Entscheidung fiel zu seinen Gunsten.

Abi in der DDR - Studium im Westen

Merbold wurde am 20. Juni 1941 im thüringischen Ort Greiz (Vogtland) geboren. Nachdem er in der damaligen DDR ein gutes Abitur abgelegt hatte, ging er als 19-jähriger in den Westen, um Physik, das Fach seiner Wahl, studieren zu können.

Nach dem Studium an der Universität Stuttgart untersuchte Ulf Merbold als Diplom-Physiker von 1967 bis 1978 Probleme der Festkörperphysik am damaligen Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung. 1976 erwarb er den Doktortitel. Seit Juli 1978 arbeitet er für die Europäische Weltraumorganisation ESA.

Schier "aus dem Häuschen" geraten

Als die von Kommandant John Young geflogene "Columbia" an jenem 28. November nach einem heißen Ritt auf dem Feuerstrahl aus fünf Raketenmotoren den blauen Himmel verließ und die Atmosphäre langsam schwarz wurde, begann für Merbold eine Arbeit, für die er fünf Jahre lang hart trainiert hatte.

72 wissenschaftliche Experimente aus acht Fachdisziplinen führte er in der Schwerelosigkeit des Raumlabors durch. Noch heute äußert er sein Erstaunen darüber, dass mit emotionalen Äußerungen eher sparsam umgehende Wissenschaftler schier "aus dem Häuschen" gerieten über die Ergebnisse, die die Spacelab-Computer zur Erde übermittelten.

Hochachtung vor der "MIR"

Nach seinem Ersteinsatz war Merbold noch zwei Mal im All. Vom 22. bis 31. Januar 1992 arbeitete der Physiker an Bord der Raumfähre "Discovery" im Internationalen Mikrogravitationslabor (IML). Am 3. Oktober 1994 startete er zur vierwöchigen ersten europäischen Mission auf der russischen Raumstation MIR.

Deren robuste Funktionalität beschreibt er noch heute mit Hochachtung: "Die MIR war 15 Jahre lang die einzige von Menschen erbaute Kunst-Welt im All, die auf Dauer die Besatzungen am Leben erhielt - das ist eine phänomenale Leistung der Russen." Es sei gut, dass die Russen jetzt am Bau der Internationalen Raumstation ISS beteiligt seien: "Da kann dann jede Seite ihre Stärken einbringen."

"Diesen Anblick müsste eigentlich ein Dichter beschreiben"

Viele Raumfahrer vor ihm hatten schon ihre Ergriffenheit geschildert beim Anblick ihres Heimatplaneten Erde, dessen Leben spendende blaue Atmosphäre vom All aus gesehen so verletzlich und dünn erscheint wie der Morgentau auf einem Apfel.

Für Merbold hat dieser Eindruck bis heute nichts an Intensität verloren. Wieder und wieder ist er nach seinen Eindrücken gefragt worden, und noch heute hat er Schwierigkeiten, die passenden Worte zu finden: "Diesen Anblick müsste eigentlich ein Dichter beschreiben, da verlässt mich meine Sprache."

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