Rätsel des Alltags Warum tragen Chirurgen grün?

Düsseldorf (RP). Zumindest wenn Sie schon einmal unters Messer gekommen sind, dann wissen Sie vielleicht aus den Minuten vor der Narkose, dass der zur Tat schreitende Chirurg ganz in Grün gekleidet den OP betritt. Wenn nicht, kennen Sie das bestimmt aus einer der zahllosen Arztserien. Was aber eher unbekannt ist: Warum tragen Chirurgen im OP eigentlich grüne Kittel?

Bis 1880 war es üblich, dass Chirurgen im Straßenanzug operierten, berichtet Medizinprofessor Wilhelm Hartel, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Berlin. "Den Übergang in das Zeitalter der Antisepsis (Bakterienbekämpfung) und Asepsis (Bakterienfreihaltung) markiert die obligatorische Einführung von steriler weißer Operationswäsche."

Weiß gekachelte Operationsräume unterstrichen den "Reinheits-Anspruch". Erst nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die Farbe der Schutzkleidung. Von Amerika ausgehend verbreitete sich die grüne Garderobe in der ganzen Welt als gängiges OP-Outfit.

Warum grün? "Hauptgrund war, dass die weiße Schutzkleidung die Farbe des Blutes annahm und es passierte, dass Wäschestücke versehentlich im Körper des Patienten blieben", erklärt Jörg Vögele, Professor für Medizin und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin der Uni Düsseldorf.

Es gibt aber auch ein psychologisches Motiv: "Grün wird mehr als jeder anderen Farbe eine beruhigende Wirkung zugesprochen. Dies konnte sich - insbesondere vor einer Operation - wohltuend auf den Patienten auswirken".

Ein weiterer Grund: Die Leistung der OP-Leuchten hatte sich im Laufe der Zeit derart verbessert, dass das Personal von weißer Wäsche ähnlich geblendet wurde wie Menschen in einer Schneelandschaft. "Grün dagegen wirkt absorbierend und ist relativ blendfrei."

Die Farbe unterdrückt darüber hinaus den so genannten Nachbild-Effekt. Betrachtet man für längere Zeit einen bestimmten Farbton und schaut dann auf eine weiße Fläche, sieht man einen Fleck in der Komplementärfarbe.

Vögele: "Der Chirurg würde, nach dem Blick in die rote Operationswunde, ein grünes Nachbild sehen, das Übelkeit hervorrufen könnte. Auf grünem Untergrund ist der Effekt praktisch ausgeblendet." Außerdem, ergänzt Hartel, "sind in der Mikrochirurgie, etwa am Auge, farbige Flusen leichter zu entdecken als weiße".

Und: "Die Farbe hilft, den Aufenthalt des OP-Personals auf den OP-Bereich durch Unterscheidung vom übrigen Personal zu begrenzen."

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