Informationsminister gegen US-Brigadegeneral Zwei Kriegs-Verkäufer

Düsseldorf (RP). Ihre Sicht ist die des Landes, das sie vertreten: Mohammed Said el Sahaf, Irak, und Vincent Brooks, USA, vermitteln der Öffentlichkeit ein Bild vom Krieg - und sind Teil des Krieges.

Mohammed Said el Sahaf (63) hat einen gefährdeten Arbeitsplatz in doppelter Hinsicht. Der irakische Informationsminister wird spätestens mit dem Ende von Saddam Husseins Gewalt-Regime arbeitslos, oder er verliert in den Kriegswirren Bagdads vorher sein Leben. Letzteres scheint ihm unwahrscheinlich, denn Said el Sahaf verbreitet eine eigene exotische Sicht der Dinge, die die Realität gnadenlos in die Knie zwingt. "Bagdad ist sicher, ich stehe ja auch hier", sagte er noch am Montag.

Gemeint war das Vordach des Palestine-Hotels, auf dem diese Stimme Saddams bei seiner täglichen Pressekonferenz Durchhalte-Optimismus verbreitete. "Die amerikanischen Söldner haben damit begonnen, Selbstmord an den Mauern von Bagdad zu verüben", sagte er, und er legte nach: "Wir geben den Amerikanern eine Lektion, die sie nicht vergessen werden." Gestern wurde das "Pa lestine" beschossen. Es gab Verletzte und einen Toten. Die Realitätserfahrung des Informationsministers muss durch dieses Ereignis zwangsläufig gewachsen sein: Bagdad ist eben doch nicht sicher.

Informationsminister in einer Diktatur zu sein, ist ein Widerspruch in sich. Der ehemalige Englischlehrer sollte seit seinem Amtsantritt im April 2001 dafür sorgen, dass seine 23 Millionen Landsleute nichts von dem erfahren, was das Regime von Saddam Hussein auch nur im Ansatz gefährden könnte. Er kontrollierte die Massenmedien, ließ die ausländischen Journalisten beaufsichtigen und ihre Berichte kontrollieren. Er ist noch immer "his masters voice".

El Sahafs Gesinnungwar immer Mainstream

Der Sunnit Said el Sahaf ist kein gelernter Propagandist, der mit Worten artistisch jongliert und die Menschen in Trance redet. Den Job muss er als eine Degradierung empfunden haben, denn er war seit 1992 Außenminister gewesen. Auf dem Araber-Gipfel in Amman hatte er aber einen entscheidenden Fehler gemacht. Die von den meisten Bruderländern ausgestreckte Hand hat Said el Sahaf kühl ausgeschlagen. Dadurch verblieb Irak auch in der arabischen Welt in der Isolation, was Saddam Hussein gar nicht gefiel. Er hoffte auf die Mobilisierung der islamischen Welt gegen den Satan Amerika.

Als Außenminister fand Said el Sahaf die Rolle des verbalen Scharf machers seiner Selbsteinschätzung gemäß. Diplomatische Finesse war sein Ding nicht. Westliche Kollegen konnte er für seine Sache nicht einnehmen. Seine Lagebeschreibung ähnelte eher einem mit dem Beil gemachten Holzschnitt als einer filigranen Radierung. El Sahafs Gesinnung war immer Mainstream; als linientreues Mitglied der allmächtigen Baath-Partei war er seit 1963 wie ein Schatten an der Seite Saddams. Er leitete den Rundfunk und das Fernsehen, er war Botschafter in Indien, Italien und bei den Vereinten Nationen, wechselte ins Außenministerium, und ein Jahr nach dem verlorenen Golfkrieg 1991 drückte der Aficionado dicker Zigarren und teurer Maßanzüge den Chefsessel im Außenministerium.

Seit drei Wochen ist er weltweit fernsehpräsent. In Uniform tritt er auf, wohlwissend, dass die Kommentierung des Krieges im Nadelstreifen wenig authentisch wirken würde. Sagt er die Wahrheit? Man kann sie kaum erwarten, denn der Iraker kennt ihren vollen Umfang nicht. Gefärbt wie seine Haare sind seine Informationen. Sie sind Ausschnitte der Wirklichkeit, und sie sind der Versuch, sie schön zu schminken.

Rhetorische Extravaganz ist Brooks fremd

Doha - viele hundert Kilometer von Bagdad entfernt. Brigadegeneral Vincent Brooks (44) wendet sich täglich aus Katar, wo das US-Zentralkommando residiert, an die Welt. Er sagt, wo es militärisch langgeht. Das glaubt nicht jeder, denn der größte Teil der Weltmeinung steht gegen Amerika. "Ladies and gentlemen", so beginnt der Absolvent der Militärakademie West-Point in Wüstentarnuniform seine Erläuterungen; dann lobt er stolz die Truppe.

Selbst beherrscht und nüchtern gibt er eine Lagebeschreibung, gespickt mit den üblichen Sprachregelungen der Militärs wie ein erlegter Hase mit Speck: "Amerika ficht hier im Irak einen selbstlos geführten Befreiungs-Krieg." Dann wieder ausweichende Antworten zum Geschehen und "wir bedauern gewiss den Verlust von jedem Menschenleben auf dem Schlachtfeld". Gestorben waren zuvor Amerikaner, von den eigenen Leuten beschossen.

Der 1,96-Meter-Mann war wie sein älterer Bruder Leo (45) auf dem Jesuiten-Gymnasium in Sacramento. In das Jahrbuch seiner Abgangsklasse schrieb er: "Entschlossenheit entscheidet über Erfolg" Über sein Privatleben schweigt er weitgehend. Sein Bruder sagte einmal in einem Interview: "Unsere Eltern brachten uns bei, dass es für uns keine Grenzen nach oben gibt."

1979 wurde Vincent zum ersten schwarzen Captain des 4338 Kadetten starken Jahrgangs gewählt. Vincent - wie Vater und Bruder nun seit 2002 Brigadegeneral - befehligte einst die 3. Armee in Kuwait und 3000 US-Blauhelme im Kosovo. Jetzt kämpft er an der PR-Front für die Wahrheit oder das, was die Amerikaner dafür halten. Rhetorische Extravaganzen â la el Sahaf sind ihm fern.

GODEHARD UHLEMANN

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