Umstrittener ARD-Film Ist "Wut" türken-feindlich?

Düsseldorf (RP). In der ARD wird am Freitagabend zu später Stunde der Film "Wut" gezeigt, über den schon im Vorfeld heftig gestritten wurde: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird dem Film von Züli Aladag vorgeworfen. Tatsächlich zeigt er einen jungen türkischen Gewalttäter, bedient aber keineswegs die Klischees.

Szenenbilder aus "Wut"
23 Bilder

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Seit langer Zeit ärgert sich der mündige Fernsehzuschauer über die Belanglosigkeit und niedere Qualität der Fernsehspiele, vor allem im ARD-Programm. Jetzt endlich erscheint dort als Beitrag des Westdeutschen Rundfunks wieder einmal ein sozialpolitisch kritischer Film. Züli Aladags "Wut" packt eines der heißesten Eisen unserer Tage mit großer Sensibilität an. Ende letzter Woche hat ihn die Intendantenkonferenz - sich auf den Jugendschutz berufend - kurzfristig aus dem Hauptabendprogramm gekippt. Heute kann man "Wut" um 22 Uhr sehen.

Worum geht es in diesem Film? In gutbürgerlicher Umgebung lebt der Gymnasiast Felix. Als er barfuß und ohne die neuen Turnschuhe zu Hause erscheint, wird sein Vater, angehender Literaturprofessor, damit konfrontiert, dass der Junge von dem gewalttätigen türkischen Mitschüler Can terrorisiert wird. Als Simon Laub sich gegen den Willen seines Sohnes einmischt und bei Cans sympathischem Vater auf Verständnis stößt, eskaliert die Geschichte. Natürlich ist der Film sehr hart und sicher nicht für Zwölfjährige geeignet. Doch nicht nur im Kino, sondern auch im Fernsehen hat sich schon vor Jahren die Schwelle der Brutalität - vor allem in Kinderfilmen und -serien - immer mehr verschoben.

Unser Leben ist härter, unnachsichtiger, brutaler geworden. Die Aussichtslosigkeit für Jugendliche im Berufsleben, der Kampf um jeden Ausbildungsplatz führt dazu, sich mit harten Mitteln durchzusetzen. Der Verlust an Chancen führt zu Gewalt. Das ist eine Erfahrung, die wir nicht nur in Deutschland machen, und die auch im Hintergrund dieses Films mitschwingt. Hier gelang es auf sensible Weise, die klischeehafte Darstellung "brutaler Türke attackiert brave deutsche Familie" zu vermeiden.

Der türkische Gewalttäter ist kein Monster

Aladag sieht in diesem Film eine "Herausforderung, einen jugendlichen türkischen Einwanderer aus problematischem Milieu authentisch zu zeichnen - ohne zu relativieren, weil man es mit einem ausländischen Jugendlichen zu tun hat. Wichtig war, dass diese Figur uns als Mensch in Erinnerung bleibt, trotz all seiner Widersprüche und Extreme kein Monster ist."

Can ist eine tragische Figur, Täter und Opfer zugleich. Der Begriff "Opfer" wird im Slang der Jugendlichen in diesem Milieu seit längerem als Schimpfwort gebraucht. Da man auf keinen Fall Opfer sein möchte, schlägt so mancher lieber zu. Er verkörpert die Gefangenheit in einem System, aus dem diese Jugendlichen nur schwer alleine ausbrechen können.

Und der Darsteller des Vaters, August Zirner, sagt: "Das ist hier nicht unbedingt ein Ausländerproblem, sondern ein Problem der Frustration. Natürlich gibt es reale Probleme in Berlin-Neukölln, aber natürlich auch da, wo jetzt die NPD gewählt wurde. Mir sind die NPD'ler genauso unsympathisch wie militante Islamisten. Das Militante ist immer das Problem."

Jugendschutz hin oder her - hier geht es um ein Thema, mit dem gerade unsere Kinder und Enkel täglich konfrontiert sind. Und so war es nur verständlich, dass der WDR darauf bestanden hat, diesen Film im Hauptabendprogramm zu zeigen. Glücklicherweise wird der Wirbel dazu führen, dass man sich den Film trotzdem anguckt oder aufzeichnet. Doch die an die Ausstrahlung anschließende Diskussionsrunde - jetzt auf 23.30 Uhr verschoben - wird kaum noch die Zielgruppe erreichen.

Es heißt, die ARD sei gebunden an den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, doch wenn man "Wut" vergleicht mit vielen brutalen, belanglosen Fernsehproduktionen, die längst nicht nur bei den privaten Anstalten zu sehen sind, dann wird man erkennen, dass hier manches nicht stimmt. Hier verschanzt man sich offenbar hinter Gesetzestreue, wo man Angst hat, in ein hochbrisantes, aktuelles Thema einzugreifen und Stellung zu beziehen. Das Ganze gehört, wie der Wirbel um ein Papstzitat oder die Absetzung einer Oper, zur allgemeinen Überreaktion, wenn es um Christen und Muslime geht oder um Terrorismusangst.

(Rheinische Post)
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