Erinnerung an eine lang vergessene Opfergruppe Merkel weiht Mahnmal für Sinti und Roma ein

Berlin · Mehr als zwei Jahrzehnte mussten Sinti und Roma auf einen Gedenkort für ihre Opfer des NS-Völkermords warten. Jetzt weihten Kanzlerin und Bundespräsident das Mahnmal gemeinsam ein.

 Bundespräsident Joachim Gauck (2.v.l) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, 3.v.r.) nehmen neben weiteren Persönlichkeiten an der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas teil. Links neben Merkel der Vorsitzende der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose.

Bundespräsident Joachim Gauck (2.v.l) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, 3.v.r.) nehmen neben weiteren Persönlichkeiten an der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas teil. Links neben Merkel der Vorsitzende der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose.

Foto: dpa, Wolfgang Kumm

Die Worte waren bewegend, und so mancher der 800 Gäste hielt ein Taschentuch in der Hand: Der niederländische Sinto Zoni Weisz erzählte, wie er als Siebenjähriger der Deportation nach Auschwitz entkam, aber seine Eltern, seine Schwester und seinen Bruder verlor.

Bei der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma mahnte er mit eindringlichen Worten, "Lehren aus der Geschichte zu ziehen". "Unsere Lieben dürfen nicht umsonst gestorben sein", rief er auch den Vertretern der Politik - darunter Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - zu.

Und Merkel, die direkt nach Weisz sprach, war die Ergriffenheit anzumerken: "Danke Herr Weisz, dass Sie heute bei uns sind", sagte sie dem inzwischen 75-Jährigen. Und: "Jedes einzelne Schicksal ist eine Geschichte unfassbaren Leids." Die Erinnerung daran verursache "Trauer und Scham".

Zugleich griff sie die Worte des Niederländers auf. Im "ehrenden Gedenken" liege auch ein Versprechen, ein "Auftrag für heute und morgen". Sinti und Roma litten weiter unter Ausgrenzung. Es sei "eine deutsche und europäische Aufgabe, sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen", so Merkel.

Mit den Ehrengästen ging die Kanzlerin dann vom eigens für den Festakt errichteten Zelt zum benachbarten Denkmal, das der ebenfalls anwesende israelische Künstler Dani Karavan geschaffen hat. Es besteht aus einem Wasserbecken, in dessen Mitte sich ein versenkbarer Stein befindet. Die zwölfjährige Urenkelin eines Überlebenden brachte die erste Wildblume, die nun täglich frisch auf dem dreieckigen Stein liegen soll.

Berlin erhält damit an prominenter Stelle - am Rande des Tiergartens zwischen Reichstag und Brandenburger Tor - nach den Mahnmalen für die Juden und die Homosexuellen ein drittes Denkmal, das an eine von den Nationalsozialisten verfolgte Minderheit erinnert. Zugleich geht damit eine sich über 20 Jahre hinziehende Debatte über Bedeutung und Form eines Mahnmals für diese Opfergruppe zu Ende, die nach Schätzungen bis zu 500.000 Menschen umfasst.

Den Beschluss dazu hatte der Bundestag bereits 1992 gefasst. Ein Künstlerwettbewerb ging zugunsten Karavans aus. Immer wieder wurde der Baubeginn verschoben, weil es Streit über den zunächst geplanten Widmungstext gab.

Der Zentralrat der Sinti und Roma hatte gegen eine vom Bundestag befürwortete Formulierung Einspruch erhoben, weil sie das Wort "Zigeuner" enthielt. Andere Opferverbände wie die Sinti Allianz begrüßten sie dagegen. Schließlich kam es 2006 zu einer Einigung. Anstelle einer Widmung steht nun eine "Chronologie des Völkermords an Sinti und Roma".

Offizieller Baustart war dann vor vier Jahren. Das Land Berlin stellte das Grundstück zur Verfügung, der Bund übernahm die Kosten von 2,8 Millionen Euro. Nach Unstimmigkeiten Karavans mit der Berliner Bauverwaltung wurde der Bund auch Bauherr des Projekts. Betreut wird es nun - wie die anderen Mahnmale - durch die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Auf die aktuelle Brisanz der derzeitigen Situation von Sinti und Roma - Flüchtlingsorganisationen kritisieren seit Monaten eine massive Diskriminierung von Roma auf dem Balkan - wiesen alle Redner hin und riefen zur Wachsamkeit auf.

Das Mahnmal sei Ausdruck der Verpflichtung, "Antiziganismus ebenso zu ächten wie Antisemitismus", so fasste es Rose zusammen. Sinti und Roma erlebten immer mehr rassistisch motivierte Gewalt - "und dafür gibt es auch immer mehr Rückhalt in der Mitte unsere Gesellschaft", warnte er. "Die Ächtung jedweder Gewalt" müsse deshalb in der ganzen Gesellschaft Platz greifen.

(KNA)
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