Rocker kommen wieder frei Leichensuche bei Hells Angels erfolglos

Kiel/Altenholz · Herber Rückschlag im Kampf gegen die Rockerkriminalität: Die Suche nach einer einbetonierten Leiche in einer Lagerhalle der Hells Angels in Altenholz bei Kiel bleibt erfolglos.

Die fast siebenwöchige Suche nach einer Leiche in einer Lagerhalle der Hells Angels in Altenholz bei Kiel ist erfolglos geblieben. Die Staatsanwaltschaft Kiel beantragte beim Amtsgericht, mehrere Haftbefehle gegen Rocker wieder aufzuheben, hieß es in einer Mitteilung von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt am Dienstag.

Fünf Mitglieder der verbotenen Kieler Hells Angels waren bei einer Groß-Razzia gegen Rockerkriminalität am 24. Mai verhaftet worden. Am selben Tag begann die Spurensuche in der Lagerhalle.

Der Flop von Altenholz versetzt dem Kampf gegen die Rockerkriminalität im Norden einen schweren Rückschlag. Die Kieler Staatsanwaltschaft konnte nicht umhin, beim örtlichen Amtsgericht die Aufhebung von Haftbefehlen gegen die Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu dem seit mehr als zwei Jahren vermissten, vermutlich ermordeten Türken Tekin Bicer zu beantragen. Damit kommen mehrere Hells Angels erst einmal wieder auf freien Fuß. Fünf Mitglieder der verbotenen Kieler Höllenengel waren bei einer Groß-Razzia gegen Rockerkriminalität am 24. Mai verhaftet worden, eine sechste Festnahme erfolgte am 5. Juni in Polen.

Gesamtes Erdreich durchsucht

Am Tag der Groß-Razzia begann die Spurensuche in der Lagerhalle. "So musste zunächst die gesamte Halle ausgeräumt, der schwere Betonboden mit Spezial- und Großgerät abgetragen, später die Hallenaußenwände entfernt und sämtliches Erdreich teilweise bis nahezu zwei Metern Tiefe nach archäologischem Vorbild akribisch durchsucht werden", teilten die Ermittler mit. Auch kamen Leichenspürhunde zum Einsatz, die laut Polizei an verschiedenen Stellen angezeigt hatten. "Seit heute steht für die Ermittlungsbehörden fest, dass sich eine Leiche oder sterbliche Überreste im fraglichen Bereich nicht befinden", hieß es am Dienstag.

Als Pleite betrachtet Oberstaatsanwältin Birgit Heß das Geschehen dennoch aber "auf keinen Fall"". "Es ist eine bedeutsame Spur im Ermittlungsverfahren abgearbeitet und die zunächst bestandenen Verdachtsmomente sind ausgeräumt worden", sagte Heß. Es komme immer wieder vor, dass Zeugenaussagen sich nicht bestätigten oder Spuren nicht zielführend seien. "Die Staatsanwaltschaft setzt ihre Ermittlungen energisch fort, den Sachverhalt um Tekin Bicer endlich aufzuklären." Noch sei unklar, was wirklich passierte und der vermutete Tod Bicers nicht nachgewiesen.

Der 2010 in Kiel spurlos verschwundene Türke - er war damals 47 Jahre alt - soll wegen Drogengeschäften mit den Hells Angels aneinandergeraten sein. Der Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft hatte ausgesagt, Bicer sei in einem früheren Trafo-Häuschen von Hells Angels in Kiel gefoltert und erschossen worden. Die Leiche sei dann im Fundament der Lagerhalle in Altenholz versteckt worden. Grünes Licht für den Mord habe der einflussreiche Chef der Hells Angels in Hannover, Frank Hanebuth gegeben. Hanebuth hat dies energisch bestritten.

Rockerkriminalität lange verharmlost

Die Sonderkommission "Rocker" des schleswig-holsteinischen Landeskriminalamtes schätzte den Zeugen als glaubwürdig ein. Viele Angaben hätten sich als richtig erwiesen, sagte ein führender Soko-Beamter kürzlich vor Gericht im Prozess gegen den "Aussteiger". Der hoffte wegen seiner Aussagebereitschaft auf ein mildes Urteil in seinem eigenen Verfahren - unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Statt möglicher zehn Jahre erhielt der Ex-Rocker eine Haftstrafe von vier Jahren und vier Monaten. Die Behörden schützen den Mann, der wegen möglicher Racheakte als sehr gefährdet gilt.

Rockerkriminalität wurde lange verharmlost, das Klischee der Easy Riders auf ihren Motorrädern überlagerte oft die Realität. Mafiöse Strukturen bescheinigte die Polizei den Hells Angels und ihren Kontrahenten, den Bandidos. Waffenhandel, Drogendelikte, Menschenhandel, Zuhälterei, Erpressung und schwere Körperverletzung gelten als typische Straftaten.

Bei der Großrazzia am 24. Mai durchsuchten rund 1200 Polizisten insgesamt 89 Bordelle, Gaststätten und Wohnungen vor allem in Schleswig-Holstein, aber auch in Hamburg und Niedersachsen. GSG 9-Spezialkräfte seilten sich vom Hubschrauber über Hanebuths Anwesen ab. Insgesamt leitete die Staatsanwaltschaft Kiel im Kampf gegen die Rockerkriminalität fast 200 Ermittlungsverfahren ein oder führt solche Verfahren. Auch in Berlin und Brandenburg gab es kürzlich große Polizeieinsätze gegen Rocker. Mit angekündigten Selbstauflösungen haben inzwischen einige Hells Angels-Vereine, so etwa auch in Hannover, reagiert. Neugründungen der Vereine schließen Experten nicht aus.

(dpa)
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