Debatte um Todesschuss auf Tiger Kollegen nehmen Zoodirektor in Schutz

Köln · Nach dem Unglück im Kölner Zoo, bei dem am Wochenende eine Tierpflegerin bei einem Tigerangriff ums Leben kam, steht Zoodirektor Theo Pagel in der Kritik. Kollegen nehmen Pagel in Schutz.

Tiger im Kölner Zoo tötet Pflegerin
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Tiger im Kölner Zoo tötet Pflegerin

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Foto: dapd, Roberto Pfeil

Zoodirektor Theo Pagel reagierte schnell, als am Samstagmittag einer seiner Tiger die Tierpflegerin Ruth K. angegriffen und lebensgefährlich verletzt hatte. Nur etwa eine halbe Stunde, nachdem eine Kollegin die Frau leblos im Gehege liegend gefunden hatte, erschoss der Zoo-Chef den Tiger vom Dach des Innengeheges aus durch eine Luke.

Dafür nutzte er ein großkalibriges Jagdgewehr, das zu diesem Zweck in der Dienstvilla des Zoodirektors aufbewahrt wird. "Altai" saß nach Angaben des Zoos zu diesem Zeitpunkt im selben Gehege, in dem auch Ruth K. tödlich verletzt lag.

Die Kölner Staatsanwaltschaft stufte den Tod der Tierpflegerin zunächst als "Betriebsunfall" ein. "Wir versuchen herauszufinden, wie es dazu kommen konnte", erklärt Staatsanwalt Daniel Vollmert. Die Leiche des Opfers wurde gestern obduziert. Ob auch der Tierkadaver untersucht werden muss, ist noch unklar. "Wir sehen im Moment kein Fremdverschulden", sagte Vollmert. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass eine technische Störung vorgelegen habe.

Zwei Tage nach den dramatischen Ereignissen muss Pagel sich vor allem für den Todesschuss auf "Altai" rechtfertigen. Im Internet tobt eine Debatte, ob es nicht ausgereicht hätte, das Tier zu betäuben. Rund 1000 Kommentare waren auf der "Facebook"-Seite des Zoos kurz nach den Ereignissen zu finden. Viele fragten, ob "Altai" getötet werden musste. Auch auf der Internetseite unserer Zeitung diskutierten viele Leser die Frage, ob ein Narkotikum ausgereicht hätte, um den Tiger außer Gefecht zu setzen.

"Uns blieb keine Wahl"

Auf die Vorwürfe reagierte Pagel gestern nur auf "Facebook": "Wir können verstehen, dass viele über den Tod des Tigers entrüstet sind, aber nach Abwägung der Situation vor Ort und in Absprache mit der Polizei blieb uns leider keine andere Wahl, als den Tiger zu erschießen", ist dort zu lesen. "Wir hätten nicht warten können und dürfen, bis ein Narkotikum Wirkung zeigt." Zu diesem Zeitpunkt habe die Hoffnung bestanden, dass Ruth K. noch hätte gerettet werden können. Zu weiteren Stellungnahmen war Pagel gestern nicht bereit.

Kollegen nehmen den Zoodirektor in Schutz: "Das Menschenleben sollte in einem Notfall über dem des Tieres stehen", sagt Petra Schwinn, Sprecherin des Krefelder Zoos.

Pagel besitzt wie die meisten seiner Amtskollegen einen Waffenschein, um im Notfall handeln zu können. Schon vor seiner Ernennung zum Zoodirektor im Jahr 2007 war der Biologe, der seit 1991 im Kölner Zoo beschäftigt war, unter anderem für die Raubtiere zuständig. Der Vater von zwei erwachsenen Töchtern lebt mitten im Tiergarten in der Direktoren-Villa, aus der er am Samstag auch das Jagdgewehr holte. Pagel ist auch Vizepräsident des Verbands Deutscher Zoodirektoren (VDZ).

Tierschützer sind in Rage

Die Tierschutzorganisation Endzoo fordert nun die Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen in Zoos. Es gebe Systeme, die ein gefahrloses Öffnen und Schließen von Schleusen und Gehegen garantieren. Ein solches System sei offensichtlich im Kölner Zoo nicht installiert.

Auch Peter Höffken von der Tierschutzorganisation Peta kritisiert die Haltung: "Es kommt immer wieder zu Unfällen durch menschliches Versagen. Eingesperrte Tiere werden immer versuchen, aus ihrem Gehege auszubrechen." Einen Tag nach dem Unglück in Köln ist im Salzburger Zoo ein Luchs geflohen. Auch dort sprechen die Verantwortlichen von menschlichem Versagen: Die Tierpfleger hatten nicht geprüft, ob ein Schutzzaun mit Strom gesichert war. Die Raubkatze konnte bisher nicht wieder eingefangen werden.

Der Geschäftsführer des VDZ, Peter Dollinger, hält nichts von der Forderung nach mehr Sicherheit: "Die Sicherheitsvorschriften reichen aus", sagt er. "Die Tierpflegerin hat sich vermutlich nicht daran gehalten." Für ihn ist klar, dass der Tiger die Tierpflegerin töten wollte. "Wenn eine Raubkatze töten will, geht sie auf das Genick", erklärt er. Das Verhalten des Tieres habe dem natürlichen Revierverhalten entsprochen. "Wenn ein Mensch in sein Revier eindringt, verteidigt der Tiger sich", erklärt Dollinger.

Er erinnert sich an einen Fall im Wiener Zoo vor zehn Jahren. Ein Jaguar griff damals seine 21-jährige Pflegerin an und verletzte die Frau ebenfalls tödlich am Genick. Die Wienerin hatte — ähnlich wie am Samstag Ruth K. — wohl vergessen, eine Tür zu schließen und war in das Gehege des Jaguars eingedrungen, der sie daraufhin anfiel.

Im Zoo Frankfurt wurden als Reaktion auf das Kölner Unglück die Sicherheitsbestimmungen überprüft. "Wir können uns nicht vorstellen, dass bei uns so etwas passiert", sagte Direktor Manfred Niekisch. Auch er verteidigte seinen Amtskollegen gegen Kritik wegen des Todesschusses: "Man musste nach dem Angriff davon ausgehen, dass die Pflegerin noch lebte", sagte er im Interview mit dem Hörfunksender HR-Info. "Eine Betäubung hätte etwa 15 Minuten gedauert."

(RP/jre/das)
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