Ermittlungen gegen rechten Terror In Handschellen mit Stephen King

Düsseldorf · Die Behörden gehen davon aus, dass das Terror-Trio von Zwickau Helfer hatte. Einer von ihnen soll Holger G. gewesen sein. Am Montag wurde er verhaftet. In seinen Händen hielt er einen Roman von Stephen King mit dem Titel: "Das letzte Gefecht." In seiner Heimat, einem kleinen Dorf in Niedersachsen, führte er ein bürgerliches Leben. Ob er der gesuchte vierte Mann ist, bleibt offen.

Holger G. galt den Ermittlern zunächst als Zeuge. Sie verhörten ihn am Wochenende, nachdem in Zwickau ein Haus in die Luft geflogen war und die Polizei die Leichen der beiden Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aus einem Wohnmobil gezogen hatte.

Am Montag erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe Haftbefehl. Verdacht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, lautete die Begründung. Damit gab der BGH-Richter einem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, relativierte aber zeitgleich den Verdacht der Ermittler. Die hatten anfangs von der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gesprochen.

Ermittlungen im "Umfeld"

Auch so wiegt der Verdacht schwer. Holger G. soll der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) geholfen haben, die über ein Jahrzehnt eine blutige Spur des Terrors hinterlassen hat. Sie sollen für die Döner-Morde mit neun Opfern und für den Heilbronner Polizistenmord verantwortlich sein. Außerdem werden sie verdächtigt, weitere Sprengstoffanschläge durchgeführt zu haben, zum Beispiel mit einer Nagelbombe am 9. Juni 2004 auf der Keupstraße in Köln, oder im Jahr 2000 an der S-Bahn-Station in Düsseldorf Wehrhahn.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt nun "intensiv im Umfeld" der Zwickauer Zelle. Gesucht werden mögliche Unterstützer oder weitere Mitglieder, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dapd. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will geklärt wissen, ob hinter dem schon bekannten Täter-Trio ein größeres Netzwerk steht.

Nun ermittelt die Justiz, inwieweit auch der 37-Jährige Holger G. beteiligt war. Er soll sich der Gruppe 2007 angeschlossen haben. Schon seit dem Ende der 90er Jahre soll er mit dem Trio aus Zwickau in Kontakt gestanden haben. Gegen Geld überließ er ihnen laut Staatsanwaltschaft Führerschein und Reisepass, damit sie verborgen agieren konnten.

Akte 2009 vernichtet

Weiteres über die Rolle Holger G.s bleibt im Dunkeln. Sicher ist nur: Den Behörden war er schon lange bekannt. Er galt ihnen als gewaltbereit, aber nur als Mitläufer. Seine Akte blieb überschaubar. Mal nahm er Presseberichten zufolge 1999 an einer Nazi-Demo gegen die Wehrmachtsausstellung teil, 2003 besuchte er ein Konzert einer Skinhead-Band. Nach Informationen des MDR geriet er ins Visier der Staatsanwälte in Thüringen. Die Ermittler hielten es damals für möglich, dass er hinter dem Versand von Briefbombenattrappen in Jena steckte. Später wurden die Untersuchungen mangels Tatverdacht eingestellt.

Anschließend wurde es ruhig um Holger G. So ruhig, dass der niedersächsische Verfassungsschutz seine Daten vor zwei Jahren – wie gesetzlich vorgesehen – löschte. Über fünf Jahre hatte es keinen neuen Eintrag mehr gegeben. Holger G. war umgezogen ins niedersächsische Dörfchen Lauenau (4500 Einwohner) und führte dort ein scheinbar bürgerliches Leben als Familienvater. Sein Geld verdient er als Staplerfahrer, sonntags verdient er sich etwas in einer Tankstelle dazu. Sein Anwalt beschrieb Holger G. nach dessen Verhaftung gar als Aussteiger. Die Taten habe er zu keinem Zeitpunkt unterstützt oder von ihnen Kenntnis gehabt, sagt Stefan Hachmeister.

Stephen King in den Händen

Nun – nach der Entdeckung der Zwickauer Terrorzelle - keimt ein anderer Verdacht. Möglicherweise sei G. ab 2004 bewusst untergetaucht und nicht mehr öffentlich als Rechtsextremist in Erscheinung getreten, sagt der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Holger G., eine Art Schläfer, der hinter einer bürgerlichen Fassade den rechten Terror vorantrieb?

Die Ermittlungen sollen nun Antworten liefern. Am Montag wurde Holger G. in Handschellen abgeführt. In den hinter dem Rücken fixierten Händen hielt er einen Roman vom Horrorr-Autor Stephen King. In "The Stand. Das letzte Gefecht" geht es um einen ultimativen Kampf zwischen Gut und Böse.

Bericht über weitere Helfer

Doch die Terrorzelle hatte allem Anschein nach weitere Helfer. Wie das ARD-Magazin "Fakt" am Dienstag unter Berufung auf eigene Recherchen vorab berichtete, soll ein 34-Jähriger aus der rechtsextremen Szene die Wohnung in Zwickau angemietet haben, in der das Trio zuletzt wohnte. Zudem sei der im sächsischen Johanngeorgenstadt lebende Mann auch Mieter jener Wohnung gewesen, in der Beate Z. zwischen 2001 und 2008 unter falschem Namen gelebt haben soll.

Mehr und mehr zeigt sich: Die Ermittlungen gegen das Netzwerk des rechten Terrors stehen erst am Anfang.

(pst)
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