Kommentar zur Todesstrafe Das Attentat von Oslo als Prüfstein

Dieser Tage wird niemand schief angeschaut, der Anders Breivik die Todesstrafe wünscht – dem mutmaßlichen, noch immer so furchtbar selbstgewissen Massenmörder von Oslo. Das sind erste Impulse, die vom Hass regiert und von der Verzweiflung genährt werden.

Denn alles an dieser Tat ist Wahnsinn, der sich den Kategorien unseres Verstandes entzieht. Das Todesurteil aber ist keine Strafe; es ist pure Vernichtung, mit der etwas für immer aus der Welt geschafft werden soll, was in ihr wütet.

Die Todesstrafe ist somit der verzweifelte Versuch, das Unfassbare auszulöschen. Solche finale Gewalt würde aber auch unsere Gesellschaft verändern, indem sie sich der gleichen Mittel wie der Täter bediente.

Breivik ist kein "Teufel", keine "Killer-Bestie", wie es jetzt heißt. Er stammt aus unserer Gesellschaft, die ihn nach ihren Gesetzen zu richten, aber auch seine unverfügbare Menschenwürde zu achten hat. Für viele ist das kaum zu begreifen, für die Angehörigen der Opfer dürfte es schwer erträglich sein.

Das ist nicht die Schwäche unserer Zivilisation, sondern ihre Stärke. Nur dadurch werden wir wieder jene Offenheit zurückgewinnen, die von der Freiheitsidee beseelt und nicht von Angst gebeutelt wird. Die Tat von Oslo wird uns zum Prüfstein: Menschenrecht und Menschenwürde sind nicht der einzige Kitt unserer freiheitlichen Gesellschaft – aber der letzte.

(RP)
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