Höchststrafe für Massenmörder Breivik ist nicht überrascht über das Urteil

Oslo · Der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik ist vom Gericht in Oslo zu einer Haftstrafe von 21 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Damit erhält der Massenmörder die in Norwegen mögliche Höchststrafe und wurde für zurechnungsfähig erklärt.

Der letzte Tag des Breivik-Prozesses
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Breivik könne frühestens nach zehn Jahren haft eine bedingte Haftentlassung beantragen, erklärte die Vorsitzende Richterin. Das Urteil sei einstimmig gefallen, sagte Wenche Elizabeth Arntzen im Osloer Gericht. Fünf Richter hatten es getroffen. Breivik reagierte mit einem zufriedenen Lächeln auf den Urteilsspruch. Während der Urteilsbegründung machte sich Breivik immer wieder Notizen. Danach sprach er mit seinen Verteidigern.

Er hatte auf keinen Fall für unzurechnungsfähig erklärt werden wollen. Die Urteilsbegründung verfolgte er mit ausdrucksloser Miene. Den Gerichtssaal hatte er zuvor ebenfalls mit einem Lächeln im Gesicht betreten. Nach den Worten seiner Verteidiger ist Breivik nicht erstaunt über den Richterspruch. "Er hat gesagt, das Urteil sei keine Überraschung", sagte Breiviks Anwalt Odd Ivar Gron der Online-Ausgabe der Osloer Tageszeitung "VG".

Bereits vor dem Urteil am Freitag hatte Breivik angekündigt, er wolle keine Berufung einlegen, sollten die Richter ihn für schuldfähig erklären. Zwei Expertengutachten hatten zuvor widersprüchliche Ergebnisse zu seinem psychischen Zustand geliefert. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer gefordert, Breivik für unzurechnungsfähig zu erklären.

Norwegen-Experte Norbert Beckmann-Dierckes erklärte im Sender Phoenix, dass die Sicherungsverwahrung in dem Land zunächst für fünf Jahre angelegt ist. Danach wird sie geprüft. Dementsprechend wird Breivik vorerst 26 Jahre im Gefängnis verbringen.

Angehörige gefasst

Die Angehörigen der Opfer reagierten gefasst auf den Richterspruch. Im Gerichtssaal war es sehr still. Sie wirkten mitgenommen, aber zufrieden. Als Richter Arne Lyng eine Passage verlas, in der die Schicksale von Breiviks Opfern im Osloer Regierungsviertel geschildert wurden, stützten sich die Angehörigen gegenseitig. Einige weinten.

Das Gericht räumte den Berichten der Opfer auch in der Urteilsbegründung viel Raum ein. So erzählt er von einer jungen Frau, die drei Jahre zuvor studiert hatte, angesichts der Verletzungen durch die Bombe aber alles vergessen habe. Eine andere habe noch immer Splitter in ihrem Kopf.

"Erleichtert", "zufrieden" oder einfach "fertig" — so reagierten viele Norweger außerhalb des Saales auf das Urteil. Die Zeitung "Aftenposten" hatte auf ihrer Internetseite nach dem Wort gefragt, das am besten zur Gefühlslage passe. Schon kurz nach der Urteilsverkündung hatten mehr als 1200 Menschen das Wort "erleichtert" angeklickt. Mehrere Hundert wählten "fertig" oder "zufrieden", einige allerdings auch "gleichgültig" und "überrascht". Negative Reaktionen waren zunächst kaum zu sehen.

Überlebende des Massakers auf Utoya meldeten sich umgehend nach dem Urteilsspruch bei Twitter zu Wort. "Jaaaaaaaa!!!", twitterte Emma Martinovic. "Vorbei. Punkt", schrieb Viljar Hanssen, dem Breivik auf Utöya eine Kugel in den Kopf schoss. "Dieser Mist ist endlich vorbei, jetzt kann das Leben beginnen", schrieb Ingrid Nymön. Auch Knut Storberget, der zum Zeitpunkt der Anschläge Justizminister war, begrüßte das Urteil: "Es ist die schwerste Strafe, die er bekommen konnte", sagte er dem Sender TV2.

Auch Anwälte von Opfern zeigten sich zufrieden mit dem Urteil. "Dass Breivik für zurechnungsfähig erklärt wurde, ermöglicht den Familien, mit dem Geschehenen abzuschließen", sagte der Anwalt Frode Elgesem im norwegischen Fernsehen. "Es wird sicher verschiedene Meinungen geben, aber wir haben hier höchstwahrscheinlich ein Urteil, mit dem viele Trauernde und Überlebende leben können." Das Osloer Amtsgericht habe eine "mutige und unabhängige Entscheidung getroffen", sagte Mette Yvonne Larsen, eine weitere Opfer-Anwältin.

Gericht: Keine Beweise für politisches Netzwerk

Die Urteilsbegründung umfasst nach Aussage der Richterin 90 Seiten und kann sich somit mehrere Stunden hinziehen. Sie begann zunächst mit der Verlesung des Lebenslaufes Breiviks. Aus dem Text geht zudem hervor, dass der Massenmörder bis März 2011 6,5 Stunden Computer pro Tag spielte, manchmal auch 17 Stunden.

Für die Entscheidung über die Zurechnungsfähigkeit seien Breiviks Äußerungen zum angeblichen Tempelritter-Orden wichtig gewesen, sagte Richterin Arntzen. Die Richterin erklärte auch, dass das angebliche politische Netzwerk wahrscheinlich nicht existiere. Das Gericht habe keine Anhaltspunkte für die Existenz gefunden. Anschließend sprach sie über seine angegebenen politischen Motive für seine Taten.

Tat offenbar neun Jahre lang geplant

Breivik hat die Taten zugegeben. In seinem Geständnis bezeichnete der inzwischen 33-Jährige die Morde als "grausam, aber notwendig". Als Tatmotiv nannte der rechtsradikale Attentäter Hass auf den Islam und die regierenden Sozialdemokraten.

Seine Anschläge plante er nach eigenen Angaben neun Jahre lang. Vor dem Massaker stellte er ein 1500-seitiges Manifest ins Internet, das sich unter anderem gegen "Kulturmarxismus" und die Einwanderung von Muslimen richtet.

Am 22. Juli 2011 hatte Breivik bei einem Bombenanschlag im Osloer Regierungsviertel und einem anschließenden Massaker auf der Insel Utoya insgesamt 77 Menschen getötet. Die meisten Opfer waren Jugendliche im Alter zwischen 14 und 19 Jahren, die auf Utoya an einem Sommerlager der norwegischen Jungsozialisten teilnahmen.

Die zuvor im etwa 40 Kilometer entfernten Oslo gezündete Autobombe sollte die Polizei ablenken. Hier wurden acht Menschen durch die Wucht der Detonation und Trümmer getötet. Die Explosion verwandelte Teile der Innenstadt in eine Trümmerlandschaft. Auch das Büro von Ministerpräsident Jens Stoltenberg wurde verwüstet.

mit Agenturmaterial

(das)
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