Wunderkammern der Wirtschaft

"Corporate Collection" ist der Titel eines neuen, dickleibigen Bildbands. Auf mehr als 400 Seiten stellt er Kunstsammlungen deutscher Unternehmen vor. Darunter befinden sich mehrere Düsseldorfer Firmen, von Eon über Ergo bis zur Trinkaus-Bank.

Im Bundesverband der Deutschen Industrie, bekannter unter dem Kürzel BDI, gibt es einen Arbeitskreis "Corporate Collecting". Der befasst sich mit Unternehmen, die eine Kunstsammlung angelegt haben, um dadurch ihr Profil in der Öffentlichkeit und nach innen zu schärfen. Man müsste doch mal – so erwog man in diesem Kreis – ein Buch zusammenstellen, das offenbart, welche Kunstschätze sich hinter Firmentüren verbergen. Herausgekommen ist ein großzügig angelegter, 467-seitiger Bildband, der in wundervollen Fotografien und knappen, aufschlussreichen Texten darlegt, welche Kunst deutsche Unternehmen zu Repräsentationszwecken einsetzen.

Unter den 70 Firmen finden sich immerhin zehn aus Düsseldorf. Nähme man Unternehmen wie die kunstsinnige Deutsche Bank hinzu, die in dem Band nur durch ihren Hauptsitz in Frankfurt vertreten ist, wären es noch mehr.

Der imaginäre Rundgang durch die Düsseldorfer Wunderkammern beginnt alphabetisch bei Aengevelt Immobilien, setzt sich fort über das Avidon Design Hotel und erreicht rasch seinen ersten Höhepunkt bei Eon. Die Sammlung dieses Konzerns, die 2000 Werke von fast 700 Künstlern umfasst, lenkt den Blick auf Nachkriegsmoderne und Kunst des 21. Jahrhunderts. Günther Uecker, Heinz Mack und Otto Piene zählen dazu, Gerhard Richter, Gotthard Graubner und Georg Baselitz, auch Jackson Pollock und Ellsworth Kelly.

Eon-Vorstandsvorsitzender Johannes Teyssen begründet die Sammellust seines Unternehmens so: "Ich verbinde mit der Kunst, die zum Eon-Unternehmen gehört, vorwiegend zwei Dinge: Verantwortung und Freude. Verantwortung gleichzeitig gegenüber unseren Aktionären, deren Geld wir ausgeben, den Mitarbeitern, für die wir die Kunstwerke in erster Linie erwerben, und für die Gesellschaft insbesondere da, wo wir Arbeiten jüngerer und nicht so bekannter Künstler kaufen."

Gleich neben Eon ist die Ergo Versicherungen AG zu Hause. Auch sie schmückt sich mit Kunst unserer Tage – und hat sich sogar noch weiter spezialisiert: auf ungegenständliche Malerei, von Sol Lewitt über Franz Ackermann bis zu Gerhard Richter.

Wie sehr der Aufbau einer firmeneigenen Kunstsammlung oft mit der Leidenschaft eines Einzelnen zusammenhängt, zeigt sich am Beispiel der Gottfried Schultz GmbH Ratingen/Düsseldorf. Robert Rademacher, Mitglied des Verwaltungsrats, ist gleichzeitig Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde der Kunstsammlung NRW; ein Sammler, der sich einst von Gründungsdirektor Werner Schmalenbach anstecken ließ und seitdem für die bildende Kunst brennt. Da das Unternehmen, dessen Geschäfte er jahrzehntelang führte, Autos des VW-Konzerns verkauft, findet sich in der Kunstsammlung manches Käfer-Bild; darüber hinaus unter anderem Lichtenstein, Rauschenberg und Christo, dazu Richter und Polke.

Über das Bankhaus HSBC Trinkaus & Burkhardt, das gleichfalls auf Kunst aus Amerika und Deutschland setzt, gelangt man zur nächsten bedeutenden Düsseldorfer Sammlung, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist: diejenige der Provinzial Rheinland Versicherung. Diese Kollektion ist eng an die Düsseldorfer Kunstakademie angebunden: durch Werke von Lehrern wie Peter Doig und Schülern, die sich längst selbst einen Namen gemacht haben. Es folgen die Consulting-Firma von Rundstedt HR Partners, die Sparkasse Düsseldorf (deren Kunstsammlung nur einen kleinen Teil ihres weit ausgreifenden Kunst-Engagements bildet) und die Stadtwerke Düsseldorf.

Versteht sich, dass auch die beiden Herausgeber des Bandes der Kunst ergeben sind: Friedrich Georg Conzen, Geschäftsführer eines Düsseldorfer Traditions-Unternehmens, das Service rund um die Kunst bietet, und Olaf Salié, geschäftsführender Chefredakteur des Wirtschaftsverlags Deutsche Standards Editionen in Köln und Herausgeber eines im vorigen Jahr erschienenen Buches, das einen Blick auf junge, aufstrebende Künstler wirft. Mit "Corporate Collections" haben sie sich selbst und dem Kulturkreis der deutschen Wirtschaft zu einer hübschen, ungewöhnlich schwergewichtigen Visitenkarte verholfen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort