Trutzburg am Rheinufer

Die Kaiserpfalz in Kaiserswerth war einst eine mächtige Zollstation. Im Spanischen Erbfolgekrieg anno 1702 wurde sie bis auf die Grundmauern zerstört. Beinahe wäre auch die Ruine abgetragen worden.

Dass sich hier einmal mächtige Leute hinter starken Mauern verschanzt haben, kann man heute noch erahnen. Und wahrscheinlich kam vom ebenso mächtigen Rheinstrom her nichts Gutes, sonst läge das Monstrum nicht in Trümmern. Die Ruine der Kaiserpfalz in Kaiserswerth ist umgeben von einem malerischen Ort auf der einen und saftigen Auen auf der anderen Seite. Ein friedliches Idyll mit herrlichen Ausblicken auf den Fluss, das geradezu zum Flanieren einlädt. Doch das war nicht immer so.

Das schmucke Kaiserswerth blieb zwar von den Bomben des Zweiten Weltkriegs verschont, nicht aber von den Wirren des Mittelalters und der nachfolgenden Jahrhunderte. Einst umgaben fünf Bastionen den Ort, und inmitten der Mauern stand die Kaiserpfalz. Ein Stich von 1645 zeigt eine intakte Burg mit Türmchen und einem mächtigen Bergfried. Aber in den Jahrhunderten zuvor als auch danach wurde das Gesicht der Wehranlage mächtig verändert.

Um das Jahr 700 schenkte der Hausmeier (Verwalter) Pippin der Mittlere dem angelsächsischen Mönch Suitbert eine Rheininsel, auf der bereits ein Fronhof stand. Die inzwischen längst verlandete Insel gab dem Ort später seinen Namen – Werth bedeutet Insel.

Jan Wellem gegen die Franzosen

Zum Hof kam ein Kloster. Anno 1016 wurde schließlich erstmals eine Burg erwähnt. Aber es dauerte noch einmal mehr als hundert Jahre, bis aus der Burg eine echte Kaiserpfalz wurde. Die fränkischen Kaiser kannten keine Reichshauptstädte. So wechselten sie aus der Notwendigkeit, überall im Land vor Ort sein zu müssen, ihre Reisequartiere, eben jene Pfalzen, mächtige Burganlagen, die den Herrschern Obdach boten und sie zugleich vor Feinden schützten. Kaiser Friedrich Barbarossa ließ im Jahr 1184 eine Inschrift über die Eingangspforte einmeißeln: "Kaiser Friedrich hat diese Zierde dem Reiche zugefügt, um das Recht zu festigen und damit überall Friede sei." Natürlich auf Latein, der damaligen Sprache der "Besserverdienenden". Auch ein anderer, heute wohl zum Schmunzeln verleitender Spruch, findet sich auf einem der noch erhaltenen Steine: "Im Jahre 1184 gerechnet von der Menschwerdung unseres Herrn, hat der vorausschauende Kaiser Friedrich, ein Pfleger der Gerechtigkeit und Rächer der Übeltat, diese noch auszuschmückende Halle erbaut."

Ein Besuch Barbarossas auf der Burg gilt als gesichert – er schaute am 22. April 1158 vorbei, vielleicht auch noch ein zweites Mal im Jahr 1174, als er die Rheinzollstation vom niederländischen Tiel nach Kaiserswerth verlegte. Man kann nicht gerade sagen, dass sich die Ottonen, Salier und Staufer die Klinke in die Hand gegeben hätten, aber Kaiserswerth war dem einen oder anderen Kaiser schon eine Reise wert. Karl der Große soll sogar zusammen mit Papst Leo III. vorbeigeschaut haben – anlässlich der Heiligsprechung des verblichenen Suitbert aus den Gründertagen.

Lange blieb es ruhig auf der Wacht am Rhein, dafür kam es im frühen 18. Jahrhundert umso schlimmer. Die Burgherren kamen und gingen. Streitigkeiten unter den Herrschern waren nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Nach Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs krachte es 1702 auch in Kaiserswerth. Der kölnische Kurfürst, dem die Trutzburg damals gehörte, stellte sich auf die Seite der Franzosen, die aus allen Rohren schossen, um die Anlage zu verteidigen. Dumm nur, dass die anderen noch heftiger zurückschossen – Niederländer, Engländer, Schweizer, Brandenburger und andere, die im Sold von Jan Wellem standen, dem damaligen Herzog von Jülich-Berg. Am 9. August 1702 wurde das, was von der Burg übrig geblieben war, in die Luft gejagt.

Die nächsten Jahrhunderte im Zeitraffer: Die Ruine diente lange Zeit als Steinbruch für den Wiederaufbau des zerstörten Örtchens und wäre so fast verschwunden. Der Kunsthistoriker Paul Clemen rettete den Rest zwischen 1899 und 1908 vor dem Verfall. Von 1939 bis 1945 war die Kaiserpfalz Nazi-Gedenkstätte. Aber all diese Zeiten sind passé: Heute finden manchmal im Innenhof der verbliebenen zweigeschossigen Außenmauern Sommerkonzerte statt. Und wenn der letzte Ton verklungen ist, zieht wieder himmlische Ruhe ein.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort