Xanten Jedermann-Aufführung: ganz starke Bilder

Xanten · "Jedermann! Jedermann!" Eine unheimliche Stimme schallte von der Tribüne herab in Richtung Dom. Inmitten der Zuschauermenge stand der Tod, leichenblass, mit dunklen Ringen um die starr auf einen Punkt gerichteten Augen. Auf der Bühne hielt der Angerufene in einer turbulenten Feier inne. Furcht vor dem nahenden Tod und dem drohenden Gottesgericht umfasste Jedermanns Herz . . .

Vor der faszinierenden Kulisse des Domes erlebten etwa 1500 Besucher die Inszenierung des Theaterstückes "Jedermann" über das Sterben des reichen Mannes von Hugo von Hofmannsthal. Nach einem fast ausverkauften Premierenabend blieben am Samstag viele Plätze auf der Tribüne unbesetzt.

Als Stargast war Christine Neubauer in der Rolle der Buhlschaft zu erleben. Hoch zu Ross ritt die Schauspielerin zur Bühne, warf Rosen ins Publikum und bezirzte Hauptdarsteller Thomas Peschke mit ihren weiblichen Reizen. Bei ihrem erotischen Tanz mit einem Tigerpython hielt manch einer im Publikum den Atem an.

Einen echten Kerl wie Jedermann ließ sich die Geliebte wohl gefallen, doch als dieser im Angesicht des Todes vor Angst wimmernd auf dem Boden hockte, war der ewige Treueschwur vergessen und die Buhle ergriff schleunigst die Flucht. Ein Gefährte nach dem anderen gab Fersengeld. Selbst Jedermanns Hoffnung, seinen Reichtum mit auf die andere Seite nehmen zu können, erfüllte sich nicht. "Bald werden dir die Sinne vergehen. Mich wirst Du nicht mehr wieder sehen. Fährst in die Grube nackt und bloß, so wie du kamst aus Mutters Schoß", prophezeite ihm der Mammon alias Melanie Arnezeder, die sich mit einem Hauch von Nichts am Körper als weiblicher Vamp lasziv auf der verwaisten Festtafel räkelte.

Den meisten Applaus bekam Thomas Peschke, der den Wandel vom stolzen Lebemann zum reuigen Sünder glaubhaft verkörperte. Bálint Walter konnte einem als Tod das Fürchten lehren, wenn er zwischen seinen Auftritten barfuß und stumm umher wandelte.

Der Dom wurde mit bunten Scheinwerfern und Nebelmaschinen in Szene gesetzt. Als zu später Stunde noch Fledermäuse kreisten, hätte die Atmosphäre kaum stärker sein können. Der Glaube (Irene Geigand) entriss Jedermann am Ende dem vergeblich zeternden Teufel (David Ketter). Nach einer liebevollen Umarmung des Todes schritt der Verstorbene in einem strahlenden Lichtkegel mitten durch die Reihen des Publikums ins Jenseits. Ganz starke Bilder.

(krsa)
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