Andreas von Hören "Film ist keine Modeerscheinung"

Wuppertal · Das Medienprojekt, eine bundesweit einzigartige Initiative, vermittelt Jugendlichen seit 20 Jahren nicht nur Medienkompetenz.

 Andreas von Hören hat das Medienprojekt als städtisches Projekt gegründet. Heute wird es von einem gemeinnützigen Verein getragen.

Andreas von Hören hat das Medienprojekt als städtisches Projekt gegründet. Heute wird es von einem gemeinnützigen Verein getragen.

Foto: Moll, Jürgen

Herr von Hören, das Medienprojekt ist bereits 20 Jahre alt — was haben Sie richtig gemacht?

Von Hören Es ging in unserer medienpädagogischen Arbeit immer darum, dass junge Leute Filme machen, um ihre Geschichten zu erzählen, und das möglichst gut. Und diese Filme werden hinterher in Kinos öffentlich präsentiert, um die Geschichten der Jugendlichen auch anderen mitzuteilen. Wir selbst sind filmbegeistert und haben immer ernst genommen, dass junge Leute etwas zu erzählen haben. Film ist keine Modeerscheinung. Film hat vor 20 Jahren schon Menschen begeistert, beim Gucken wie beim Machen. Nur die Technik hat sich verändert.

Wie viele Jugendliche machen mit?

Von Hören Wir machen 150 Filme im Jahr mit mehr als 500 Leuten, das ist sehr viel. Das ist keine Subkultur, das sind keine problematischen Jugendlichen, sondern es geht quer durch die Bildungsschichten und durch die Geschlechter, weil Film unabhängig davon ist. Nur die Filme und die Stoffe sind unterschiedlich, die jeweilige Kultur fließt immer mit ein.

Das heißt, die Jugendlichen wollen nicht nur Regie führen, sondern auch spielen?

Von Hören Alles. Das ist das Gute beim Film. Man braucht immer Leute vor und hinter der Kamera, verschiedene Talente. Nicht jeder trägt alles in sich. Und sie lernen, miteinander zu kooperieren, was ja auch ein pädagogischer Wert ist. Alles geschieht aber für den Film.

Das Medienprojekt lenkt und steuert, aber lässt sie ihr Ding machen?

Von Hören Wir unterstützen sie bei allen Teilen der Filmproduktion, so dass das Ergebnis vorzeigbar wird. Manche sind sehr begabt und brauchen schon beim zweiten Projekt kaum noch Hilfe. Von den 500 pro Jahr gehen vielleicht zehn in die Filmbranche. Das heißt, wir sind auch eine Talentschmiede. Wir machen meistens Kurzfilme, weil die von den Produktionsabläufen hier überschaubar sind. Nur die Dokumentarfilme sind häufig zwischen 45 und 90 Minuten lang.

Welche Genres sind beliebt?

Von Hören Spiel- und Dokumentarfilme sind am beliebtesten. Dann aber auch das Musikvideo, in dem sich Bands selbst präsentieren und das Video später bei YouTube hochladen können. Animationsfilm ist nur ein kleines Segment, weil er viel Aufwand für wenige Sekunden bedeutet.

Die Themen sind meist überraschend komplex und ernst.

Von Hören Die Außenwahrnehmung geht häufig über diese sinnvollen Dokumentationen. 30 bis 40 von den 150 Filmen pro Jahr sind solche, bei denen wir aufgerufen haben, etwas über Rechtsextremismus oder zu einer psychischen Erkrankung zu drehen. Die Themen kommen von uns, manchmal aber auch von den Jugendlichen selbst. Unsere Maßgabe ist es, dass sie Filme über sich selbst machen sollen. Haltet euch den Spiegel vor! Dadurch werden die Filme dynamischer, nicht so klischeehaft, weil es ein reflektierter Blick von innen wird. Bei Jungen spielt die Gewaltinszenierung häufig eine große Rolle. Die Dokumentation ist eher ein Genre für Mädchen, weil man dafür Kommunikationstalent und Empathie braucht, das haben Mädchen eher gelernt. Die Mädchen können auch besser vor der Kamera sprechen. Die Jungen sind häufig zu unsicher, um über sich zu reden.

Was macht das Projekt bundesweit einzigartig?

Von Hören Ich bin eigentlich Medienpädagoge und doch ist Film etwas Künstlerisches. Die Ansätze von Kunst und Pädagogik kollidieren miteinander. Bei uns stand immer im Vordergrund, dass die Jugendlichen tolle Filme machen, und nicht, dass sie Filme machen, um von den Drogen wegzukommen oder auf Gewalt zu verzichten. Die hier Filme machen, werden keine Gewalttäter, weil Kultur immer hilfreich ist für Menschen. Medienkompetenz erlangen die Jugendlichen heute sowieso. Wir hatten immer andere Ziele. Und uns war es wichtig, dass die Filme ein Publikum erreichen. Wir wollen Geschichten erzählen. Nach den Vorführungen im Kino gibt es immer Diskussionen — das sind die Sternstunden. Durch den Film auf der Leinwand bekommen Jugendliche eine Stimme, die gesellschaftlich wahrgenommen wird.

Im Oktober haben Sie ironisch "100 Jahre Medienprojekt" gefeiert, im Dezember wurde das "Borderline-Magazin" 20 Jahre alt.

Von Hören Unsere Einrichtung steht auf mehreren Säulen. Wir haben das Videomagazin vor 20 Jahren "Borderline" genannt, damals kannte man die klinische Erkrankung gar nicht. Der Name des Magazins hat nichts damit zu tun, sondern damit, Grenzen zu sprengen — ein Jugendimpuls. Das Magazin ist ein Sammelbecken der Kurzfilme aus den vergangenen Monaten. Fünfmal im Jahr präsentieren wir das Magazin im Cinemaxx mit Live-Band. Das ist wie ein kleines Filmfestival. Viele Filme drehen sich um Wuppertal. Wahrscheinlich gibt es keine Stadt, über die so viele Filme aus einem jungen Blickwinkel existieren.

MARION MEYER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP/url)
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