Reitsport Mutprobe im Großen Preis

Reitsport · Für Carolin Zell erfüllt sich ein sportlicher Traum. Die Reiterin des RV Lippe-Bruch startet bei Gahlen 2012 im Drei-Sterne-Springen Klasse S. Das wollte die talentierte Amazone auch 2010 und 2011 schon. Doch ihre Eltern hatten da noch die Sorge, dass die Tochter an ihre Grenzen stoßen würde.

 Carolin Zell, hier mit Nuhreste bei Gahlen 2011 im Parcours, feierte im Sommer einen ihrer größten Erfolge. Sie wurde Vierte bei der Deutschen Meisterschaft der Jungen Reiter.

Carolin Zell, hier mit Nuhreste bei Gahlen 2011 im Parcours, feierte im Sommer einen ihrer größten Erfolge. Sie wurde Vierte bei der Deutschen Meisterschaft der Jungen Reiter.

Foto: Hellmann

Carolin Zell drängte 2010 und 2011 schon vehement auf einen Einsatz beim Höhepunkt des großen Turniers ihres Vereins. Doch die ehrgeizige Reiterin des RV Lippe-Bruch Gahlen wurde vom Familienrat gestoppt. Vater und Trainer Torsten Zell sowie Mutter Anja Zell war das Risiko da noch zu groß, dass die ambitionierte Tochter beim Ritt durch den Parcours mit gewaltigen Hindernissen an ihre Grenzen stoßen könnte.

Diese Befürchtungen haben sie jetzt nicht mehr. Carolin Zell erhielt Grünes Licht dafür, sich zu Beginn des Jahres bei Gahlen 2012 (6. bis 8. Januar) einen sportlichen Traum zu erfüllen und an neue Grenzen zu gehen.

Die 20-Jährige, die 2011 bei der Deutschen Meisterschaft der Jungen Reiter mit Nuhreste den vierten Platz erreichte, wird beim großen Hallenturniers ihres Vereins am Samstagabend erstmals im Drei-Sterne-Springen der Klasse S um den Großen Preis starten. "Ich freue mich unheimlich darauf", sagt Carolin Zell. Sie hat im Nachhinein alles Verständnis dafür, dass ihre Pläne in den vergangenen beiden Jahren von ihren Eltern durchkreuzt wurden. "Es muss schon alles stimmen, wenn man in so ein schweres Springen an seine Grenzen geht. Jetzt habe ich die Sicherheit und das Selbstvertrauen, nicht nur problemlos durch den Parcours zu kommen, sondern auch ein gutes Ergebnis erzielen zu können", sagt sie.

Der Unterschied zwischen einem Zwei-Sterne-Springen S und einer Prüfung mit drei Sternen, wie sie beim Großen Preis in Gahlen ansteht, mag auf den ersten Blick nicht so gewaltig sein. Die Hindernisse werden im Schnitt nur fünf Zentimeter höher gebaut. Doch im Reitsport sind das Welten. "Je höher ein Hindernis ist, desto präziser muss es angeritten werden. Bei einer Prüfung dieser Kategorie darf nichts mehr dem Zufall überlassen werden", sagt Torsten Zell.

Und er weiß, wie groß die Gefahr ist, dass Reiter und Pferd lange daran zu knacken haben, wenn in einer derart schweren Prüfung etwas schiefgeht. "Man kann auf Jahre etwas kaputtmachen — beim Selbstvertrauen des Reiters und beim Vertrauen zwischen Reiter und Pferd", sagt er. Deshalb hat er Carolins Ambitionen in den letzten beiden Jahren noch einen Riegel vorgeschoben. Jetzt nicht mehr. "Denn heute sind wir sicher, dass es theoretisch und praktisch gut funktionieren kann", sagt Torsten Zell, der sich früher einen Namen dadurch gemacht hat, dass er gut mit schwierigen Pferden umgehen konnte.

Jetzt kümmert er sich mit dem Brüner Reitlehrer Klaus Beine in erster Linie um das Training seiner Töchter Carolin, die 2007 bei der Europameisterschaft der Ponyreiter im Einzel die Silbermedaille gewann, und Miriam (17), die 2010 mit der Pony-Equipe EM-Gold holte. Zell hat dabei immer großen Wert darauf gelegt, dass die talentierten Reiterinnen behutsam aufgebaut werden. "Jedes negative Erlebnis im Parcours wirft einen Reiter zurück. Deshalb ist es besser, viele kleine Schritte zu machen", sagt er.

Carolin Zell wird in einigen Wochen beim Großen Preis in Gahlen den nächsten kleinen Schritt machen. "Ich habe Respekt vor dieser Prüfung. Das muss man auf diesem Niveau auch haben", meint sie. Denn viel höhere Grenzen gibt's im Reitsport nicht. Nur bei internationalen Championaten oder bedeutenden Meisterschaften werden Reiter und Pferd noch gewaltigere Hindernisse als in Gahlen in den Weg gestellt. "Man braucht Vertrauen und Selbstbewusstsein, um in diesen Parcours zu reiten. Das ist auch eine kleine Mutprobe", sagt Torsten Zell.

Er hat mit seiner Tochter seit dem Sommer darauf hingearbeitet, dass sie diese Mutprobe problemlos bestehen kann. Auch beim Training. "Da haben wir für Carolin und Nuhreste natürlich schon Sprünge wie in einer Drei-Sterne-Prüfung aufgebaut. Doch man darf es nicht übertreiben. Es ist immer eine Gratwanderung, das Pferd an seine Grenzen zu bringen, es dabei aber nicht zu überfordern", sagt Torsten Zell. Der Spagat ist in diesem Jahr bestens gelungen. Carolin Zell und Nuhreste haben sich zuletzt bei allen S-Springen, bei denen sie gestartet sind, platziert. "Das ist schon eine sensationelle Quote", stellt der Vater zufrieden fest. Und deshalb ist es an der Zeit, an die nächste Grenze zu gehen — beim Großen Preis von Gahlen 2012.

(RP/rl)
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