Wesel Bürger fordern mehr Polizei vor Ort

Niederrhein · Der Landrat musste Kriminalpolizisten aus den Wachen der Kommunen des Kreises Wesel abziehen. Aus manchen Städten und Gemeinden, etwa Schermbeck, gibt es Kritik. Landrat Ansgar Müller verweist auf bessere Ermittlungsergebnisse.

 Die Zahl der Wohnungseinbrüche sank in Schermbeck um die Hälfte.

Die Zahl der Wohnungseinbrüche sank in Schermbeck um die Hälfte.

Foto: Seybert, Gerhard (seyb)/dpa, tba mg cul kde

Schermbeck ist kein Einzelfall, sondern nur eines von vielen Beispielen im Kreis Wesel: Landrat Ansgar Müller hat sich mit dem Schritt, Kriminalpolizisten aus den Städten abzuziehen und zentral in der Kreispolizeibehörde Wesel anzusiedeln, vor Ort keine Freunde gemacht. In Schermbeck hagelte es Kritik aller Parteien. Auch Bürgermeister Mike Rexforth betonte am Donnerstag bei einem Pressegespräch, dass er sich eine größere Polizeipräsenz im Ort wünsche. So wie er ärgern sich auch andere Bürgermeister im Kreis über den Abzug der Kripo aus den zehn kreisweiten Wachen. Der Landrat verteidigt den Schritt: Nötig sei dies, weil das Land im Kampf gegen Einbruchsdelikte eine neue Struktur forderte, eine engere Zusammenarbeit der Kriminalpolizei. Ansgar Müller sagte auch: „Ich verstehe Beschwerden, aber in Sonsbeck und Alpen etwa hatten wir noch nie Kripo-Beamte.“

13 Städte und Gemeinden gehören zum Kreis Wesel. 60.000 Einsätze fahren Polizisten hier im Jahr. 667 Stellen hat die Kreispolizei derzeit. Trotz sinkender Personalzahl gibt es positive Ergebnisse. Bei den Straftaten gibt es „einen rückläufigen Trend“, wie Rüdiger Kunst als Polizeidirektor berichtete. Bewährt habe sich im Streifendienst, dass nach einem neuen Schichtmodell gefahren wird, bei hoher Flexibilität der Kräfte.

Die Zahl der Straftaten sinkt kreisweit, sagt auch Polizeidirektor Rüdiger Kunst: Für Schermbeck errechnete er 403 Straftaten im ersten Halbjahr 2017, aber nur noch 318 Straftaten im gleichen Zeitraum 2018. Die Zahl der Wohnungseinbrüche sank in Schermbeck um die Hälfte: von 32 im ersten Halbjahr 2017 auf 16 im ersten Halbjahr 2018.

Den Vorwurf, dass die Polizei im Kreis Wesel wegen der Bündelung der Kripo zu zentralistisch arbeite, lässt Ansgar Müller nicht gelten. „Die Kreispolizei Wesel hat ein sehr dezentrales Konzept, besonders bei den Wachen.“ So würde es in den Kommunen des Kreises Wesel zehn Wachen geben, der Landesschnitt liege bei nur vier Wachen. „Es gibt sogar Kreise in der Nachbarschaft mit nur zwei Wachen“, sagt Müller. Dort hätten Städte mit 40.000 Einwohnern keine eigene Polizeiwache.

Nach seinem Verständnis sind nicht die Kriminalpolizisten das Gesicht der Polizei, sondern der Bezirksbeamte. „Die kennen ihre Pappenheimer, da wird auf kleinem Wege sehr viel geregelt.“ Dort würde nach einem bestimmten Personenschlüssel für jede Fläche im Kreis ein Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Der Schermbecker Bürgermeister Mike Rexforth (CDU) betonte zwar die gute Zusammenarbeit mit Müller, verwies aber auch darauf, dass die Bürger ein Gefühl schwindender Sicherheit hätten. Darauf müsse man reagieren. Sein Bezirksbeamter vor Ort, der einzige fest gebundene Polizist in Schermbeck, habe etwa auch Urlaubszeiten oder sei an Schulen im Einsatz. „Plötzlich fehlt den Leuten der Ansprechpartner in seinem Büro im Schermbecker Rathaus.“ Es würde vermehrt Beschwerden bei ihm darüber geben. Rexforth schlug deshalb feste Sprechzeiten der Polizei vor Ort vor. Müller nahm diesen Vorschlag auf. „Darüber können wir reden.“ Er verwies aber auch darauf, dass die Polizei schon jetzt zur Aufnahme von Zeugenaussagen an den Ort komme, wenn die Person nicht mobil ist.

Der Verzicht auf noch mehr Wachen vor Ort führe nicht zu einer verminderten Sicherheitslage, sagte Müller. „Das ist keine Frage der Sicherheit, sondern der örtlichen Entfernung.“ Schon jetzt seien Streifenwagen unterwegs und würden so gesteuert, dass die Tatorte immer schnell erreicht werden. In sechs Minuten sei die Polizei im Schnitt im Kreis Wesel am Ort, wenn ein Bürger etwa einen Einbrecher auf frischer Tat ertappt. „Damit belegen wir einen absoluten Spitzenplatz, darauf bin ich sehr stolz“, sagte Müller. Weil die Zahlen im flächenmäßig sehr großen Kreis Wesel so gut sind, habe er sogar vor einigen Jahren mal Insprektoren vom Minister aus Düsseldorf geschickt bekommen. „Die wollten nicht glauben, dass die Zahlen so gut sind.“

 Ansgar Müller, Landrat des Kreises Wesel.

Ansgar Müller, Landrat des Kreises Wesel.

Foto: Andreas Baum Niederrhein Tourismus/Andreas Baum

Die Hoffnung von Landrat Ansgar Müller ist, dass mit der derzeitigen Einstiegswelle bei der Polizei perspektivisch auch mehr Polizisten für den Kreis Wesel zur Verfügung stehen. Von 2014 bis heute sind es 42 Polizisten weniger, 14 davon Kriminalpolizisten. Das hängt auch damit zusammen, dass viele Polizisten eingestellt wurden, als Deutschland sich im Kampf gegen den RAF-Terror befand. Diese damals neu eingestellten Kollegen gehen nun in Rente. Jahrelang wurden zu wenig neue Polizisten eingestellt, und zwar von Regierungen aller Farben, betont Müller. Es gab zwei Jahre mit nur 500 neuen Polizisten, einmal war Rot-Grün an der Regierung, einmal Schwarz-Gelb.

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