Tönisvorst Das frühe Aufstehen machte ihm nichts aus

Tönisvorst · Der Bäcker Hans-Gustav Verhasselt aus St. Tönis erhielt gestern den Goldenen Meisterbrief. 1955 begann er seine Lehre in Lobberich.

 Hans-Gustav Verhasselt erhielt den Goldenen Meisterbrief aus den Händen von Obermeister Rudolf Weißert und seinem Stellvertreter Erich Lehnen (links). Der Blumenstrauß für Ehefrau Rosmarie fehlte natürlich auch nicht.

Hans-Gustav Verhasselt erhielt den Goldenen Meisterbrief aus den Händen von Obermeister Rudolf Weißert und seinem Stellvertreter Erich Lehnen (links). Der Blumenstrauß für Ehefrau Rosmarie fehlte natürlich auch nicht.

Foto: Norbert Prümen

Noch steht er auf der Anrichte, aber er wird einen Ehrenplatz erhalten. Die Rede ist vom Goldenen Meisterbrief, den Hans-Gustav Verhasselt jetzt aus den Händen von Rudolf Weißert, Obermeister der Niederrheinischen Bäcker-Innung Krefeld-Viersen-Neuss, und seinem Stellvertreter Erich Lehnen erhielt.

"1955 habe ich meine Bäckerlehre in Lobberich gestartet. Es war mein Wunschberuf, schließlich bin ich in der Backstube groß geworden. Mein Opa und mein Vater waren Bäcker - ich kannte nichts anderes", erinnert sich Hans-Gustav Verhasselt. Drei Mark Lehrgeld gab es seinerzeit pro Woche, wobei der damals 14-jährige St. Töniser die Woche über in Lobberich bei der Familie seines Lehrherrn blieb und nur an den Wochenenden mit dem Bus nach Hause fuhr. Noch genau erinnert sich der Senior an den zweiten Tag seiner Lehre, als es zum ersten Mal hieß, nachts um 3 Uhr aufzustehen und in der Backstube die Arbeit aufzunehmen. Aber auch das frühe Aufstehen konnte ihm die Freude an diesem Beruf nicht nehmen.

Nach der Lehre ging es für ein Jahr nach Krefeld, um Erfahrungen in zwei weiteren Betrieben zu sammeln, bevor die Arbeit im elterlichen Betrieb anfing. Dass der Meister irgendwann folgen sollte, stand fest, doch zuvor heiratete Hans-Gustav Verhasselt 1964 seine Freundin Rosemarie. Für die etwas später folgende Meisterschule ging es für zweieinhalb Jahre nach der Arbeit nach Krefeld. "Das war eine harte Zeit. Das frühe Aufstehen, die Arbeit in der Backstube und danach von 15.30 bis 19.30 Uhr die Schulbank drücken war nicht einfach", erzählt er. Mit 42 Mitstreitern startete er die Abendschule. Zum Schluss waren es dann nur noch sieben, die in die Prüfung gingen. "Wir hatten das Glück, einen Lehrer zu haben, der früher selber als Bäcker gearbeitet hatte und wusste, was wir leisteten. Er hatte Verständnis dafür, wenn jemand auch mal im Unterricht vor Übermüdung einschlief. Er ließ ihn schlafen und ermahnte ihn später, beim nächsten Mal besser aufzupassen", berichtet Hans-Gustav Verhasselt.

Am 28. Februar 1968 konnte er den Meisterbrief für das Bäckerhandwerk sein eigen nennen. 1970 übernahm der Bäckermeister den elterlichen Betrieb an der Gelderner Straße 42 in St. Tönis, an dessen Spitze er bis zur Schließung im Jahr 2000 stand. "Als mein Vater die Bäckerei noch betrieb, gab es 28 Bäcker in St. Tönis. Alle konnten davon leben. Heute haben wir noch drei Bäcker", sagt Hans-Gustav Verhasselt.

Statt dem Bäcker in der Backstube hinter dem Verkaufsraum bestimmen Filialen, die von Großbäckereien angeliefert werden, das Bild. "In den letzten 15 Jahren haben wir über 50 Prozent der Betriebe verloren", informiert Weißert. Im Jahr 2000 waren es bundesweit noch rund 38.000 Backbetriebe. Heute sind es gerade einmal gut 12.000 Betriebe. Es gebe einen extremen Abschmelzungsprozess, fügt Lehnen an. Statt Bäckereibetrieben gibt es Filialen von Bäckereiketten. Dabei haben Bäcker, gerade wenn sie Nischen besetzen, gute Zukunftsaussichten. Produkte mit einer eigenen Note sind beim Kunden nämlich gefragt. Für Hans-Gustav Verhasselt gehört die Backstube hingegen schon seit einigen Jahren der Vergangenheit an. Ihn zieht es mehr auf das Fahrrad, und zusammen mit seiner Frau sowie Hund Tobi wandert er auch gerne.

(tref)
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