Solingen Beifahrer als Täter oder Opfer?

Solingen · Am Mittwoch begann der Prozess gegen den Sozius eines Geldtransporters, der 2008 in Solingen überfallen wurde. Die Gangster, die auf das Fahrzeug schossen, sind weiter flüchtig. Steckte der Beifahrer mit ihnen unter einer Decke?

 Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Autoherstellern gestärkt.

Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Autoherstellern gestärkt.

Foto: ddp, ddp

Der Mann auf der Anklagebank des Wuppertaler Landgerichts hatte sich in Widersprüche verwickelt. Und so musste es auch nicht verwundern, dass der Ex-Beifahrer einer Geldtransporterfirma fast schon ein bisschen erleichtert wirkte, als schließlich am ersten Tag des Prozesses gegen ihn der Vorhang fiel. Allerdings, aus dem Schneider ist der 28-Jährige dadurch noch lange nicht.

Denn der Mann hat sich seit gestern vor der 1. Großen Strafkammer des Vorwurfs zu erwehren, er habe im Spätherbst 2008 mit den bis heute Unbekannten unter einer Decke gesteckt, die seinerzeit seinen Geldtransporter in Solingen an der Hossenhauser Straße unter Feuer genommen hatten.

Bei Flucht von Auto erfasst

"Ich bin Opfer, nicht Täter", erklärte der Angeklagte, der inzwischen als Zeitsoldat bei der Bundeswehr seinen Dienst verrichtet, direkt zu Beginn des Verfahrens.

Und in der Tat: Als der Mann am späten Nachmittag jenes 1. Dezember 2008 an der unbebauten Stelle in Höhscheid das gepanzerte Auto verlassen hatte, weil er austreten musste — da blickte er in den Lauf einer Maschinenpistole. Blitzschnell, so gab der Stabsunteroffizier gestern an, habe er damals reagiert und sei geflohen, während sein Kollege im Wagen mit quietschenden Reifen und trotz der Salven, die auf das Fahrzeug abgefeuert wurden, davonraste.

Doch mit dieser Schilderung sind längst nicht alle Fragen geklärt. Warum bat der 28-Jährige, der bei der angeblichen Flucht noch von einem anderen Auto angefahren wurde, eigentlich seinen Kollegen anzuhalten? Die nächste Drogerie mit Toilette, die auf dem Tourenplan stand, lag doch nur ein paar hundert Meter weiter.

Immerhin standen die beiden, wie in der Branche üblich, wieder mal unter extremen Zeitdruck, weil noch eine ganze Reihe von Geschäften anzufahren waren, wo die Tageseinnahmen abgeholt werden mussten — weshalb also bloß dieser Zwischenstopp? Und wie ist es nur zu erklären, dass die Täter ausgerechnet an der einsamen Stelle dem Transporter auflauerten, wo sie doch gar nicht wissen konnten, dass das Auto dort hielt?

Oder wussten sie es doch — und zwar vom Angeklagten? Die Staatsanwaltschaft geht jedenfalls davon aus, was wiederum dazu führte, dass das Gericht dem ehemaligen Beifahrer gestern genau auf den Zahn zu fühlen versuchte. Wie verlor er zum Beispiel seinen bis heute verschwundenen Revolver? Und war die Tür, aus der er gesprungen war, beim Überfall noch auf oder schon zu?

Sie stand entgegen der ursprünglichen Aussage des Mannes offen, wie das Gericht gestern festzustellen vermochte. Gleichwohl, im Augenblick sprechen allein Indizien gegen die Version des Angeklagten — und dementsprechend offen ist auch der Ausgang des Prozesses, der kommende Woche unter anderem mit der Aussage des Fahrers fortgesetzt wird.

(RP)
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