Rommerskirchen Das Schicksal der Juden am Gillbach

Rommerskirchen · Josef Wißkirchen aus Stommeln präsentiert am Montag im Ratssaal sein neues Buch über die früher im Gemeindegebiet lebenden Juden - und ihre Verfolger in der engsten Nachbarschaft.

 Diese Übersichtskarte aus dem neuen Buch von Wißkirchen zeigte die Deportationsziele.

Diese Übersichtskarte aus dem neuen Buch von Wißkirchen zeigte die Deportationsziele.

Foto: Wißkirchen

Etwa drei Jahre hat Josef Wißkirchen an seinem neuen Buch geschrieben. Viel länger ist die Entstehungsgeschichte des soeben im Klartext-Verlag erschienenen Werks "Verfolgte Nachbarn am Gillbach - Juden in Rommerskirchen", das Wißkirchen am kommenden Montag, 20. Juni, ab 18 Uhr im Ratssaal vorstellen wird. Wißkirchen, der von 1971 bis 2003 am Grevenbroicher Erasmus-Gymnasium unterrichtete, beschäftigt sich in seinem neuen Buch mit dem Schicksal von 108 Juden, die zur Zeit des Nationalsozialismus in Rommerskirchen und Nettesheim-Butzheim lebten. Deportiert wurden mindestens 66 von ihnen, die meisten von Köln aus, wohin sie - vielfach im Zuge der Reichspogromnacht 1938 - gezogen waren. Es gab nur fünf Überlebende, mindestens 66 Juden aus dem heutigen Gemeindegebiet wurden ermordet, darunter auch zwölf Kinder und Jugendliche.

Wißkirchen hat ihre Lebensläufe minutiös rekrutiert und den Opfern des Nazi-Terrors damit ein Denkmal eigener Art gesetzt. Was ihn dazu gebracht hat, war nach eigener Auskunft sicherlich die Freundschaft mit Rudy Herz, den Wißkirchen 1987 kennenlernte. Der gebürtige Stommelner verließ Eckum nach dem 9. November 1938 und überlebte wie sein Bruder Karl-Otto die Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz und Mauthausen. Der weitere Familienkreis erfasste 23 Verwandte, 21 von ihnen wurden ermordet. "Das ist schon etwas, was einen umgehauen hat", sagt Wißkirchen, der dem späteren US-Bürger Rudy Herz 2012 eine eigene Biografie gewidmet hat. "Wie können Menschen sich so verirren", ist nach den Worten des in Stommeln lebenden Lokalhistorikers eine der ihn umtreibenden Fragen. In "Verfolgte Nachbarn am Gillbach" schont Wißkirchen die damaligen "christlichen" Zeitgenossen nicht und bringt "die Verstrickung der Bevölkerung am Gillbach in das verbrecherische Unrecht, das den Juden geschah" zur Sprache - auch soweit es den "Arisierung" genannten Raub an den Juden angeht. Was Wißkirchen auch von Rudy Herz gelernt und vielfach bestätigt gefunden hat: Die Juden sind aus den Dörfern geflohen, weil in der Anonymität der Städte lange Zeit "sicherer" für sie war. "Die Unheilsbahn, die nach Auschwitz führt, hat in Rommerskirchen begonnen", sagt der Autor. Bei seinen Recherchen ist Wißkirchen aber auch auf Beispiele von außerordentlichen Mut und Menschlichkeit gestoßen: Dies gilt etwa für die Familie Trippen, die auf ihrem Hof in Sinsteden eine jüdische Familie versteckte.

Genannt werden in dem Buch auch Täter. Die allerdings kaum zur Rechenschaft gezogen wurden: Verurteilt wurde nach dem Ende der Nazi-Herrschaft lediglich der ehemalige Ortsgruppenleiter Gustav Adolphs, der Oberscharführer in der Waffen-SS war: Die ihm gerichtlich attestierte "sittliche Verrohung" und rassistische Gesinnung galt Wißkirchen zufolge "auch für die anderen Akteure der November-Pogrome in Rommerskirchen und Nettesheim-Butzheim", wobei er hierin auch die Zuschauer einbezieht, "die durch ihre Gegenwart die gesellschaftliche Akzeptanz des Ungeheuerlichen zum Ausdruck brachten."

(NGZ)
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