Alpen Die lange Geschichte von Haus Grünthal

Alpen · Einstmals machten dort die Postkutschen Station. In der Gaststätte tagte auch der Gemeinderat.

 Eine Postkarte von Haus Grünthal aus dem Jahr 1929.

Eine Postkarte von Haus Grünthal aus dem Jahr 1929.

Foto: Armin Fischer

Friedhelm Pfau, der neue Eigentümer des Hauses Grünthal an der viel befahren Kreuzung der B 57 und der B 58 saniert das Gebäude von Grund auf (wir berichteten). Er rechnet damit, das er sein Restaurant "Fidos Steakhouse" im August an der neuen Adresse eröffnen kann, sagte er gestern. Damit eröffnet ein Haus mit langer Geschichte wieder:

 Grünthal-Chef Gerhard Commesmann (um 1939).

Grünthal-Chef Gerhard Commesmann (um 1939).

Foto: Armin Fischer

Dem Niederrheiner sagt man nach, ein geselliger Mensch zu sein. Das kam in früheren Jahren vor allem dem Gaststättengewerbe zugute. Ein halbes Dutzend Kneipen im Dorf waren bis in die Siebzigerjahre hinein keine Seltenheit. So verwundert es wenig, dass die kleine und bis 1939 selbstständige Gemeinde Bönning mit nur 150 Einwohnern maßgeblich dazu beitragen konnte, einen Wirt zu ernähren.

 Feier der St. Heinrich Bruderschaft Bönning-Rill , Karneval 1951 (von links) Leo Beckmann, Johann Heilen, Willi Leiers, Karl-Heinz Nühlen, Theobald Heilen und der damalige Vereinswirt August Dickmann.

Feier der St. Heinrich Bruderschaft Bönning-Rill , Karneval 1951 (von links) Leo Beckmann, Johann Heilen, Willi Leiers, Karl-Heinz Nühlen, Theobald Heilen und der damalige Vereinswirt August Dickmann.

Foto: Armin Fischer

Im Jahre 1850 wird mit Carl Commesmann erstmals ein Bönniger Gastwirt erwähnt, der in Haus Grünthal neben einer kleinen Landwirtschaft und dem Wirtshaus auch eine Poststation betrieb. Wann das Gebäude gebaut wurde, ist nicht bekannt. Es muss um das Jahr 1820 gewesen sein, vermutet der Hobbyhistoriker Joachim Hunke: "Auf der Karte des Franzosen Tranchot aus dem Jahre 1819 ist das Gebäude noch nicht eingezeichnet, die Uraufnahme für das Katasteramt der Gemeinde aus dem Jahr 1821 zeigt hingegen Haupt- und Nebengebäude und sogar den großen Nutzgarten dahinter."

Was die Errichtung des Betriebes angeht, dürfte Commesmann starke Fürsprecher gehabt haben. Immerhin war der Standort von großer strategischer Bedeutung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nämlich hatte Kaiser Napoleon mit der heutigen B 58 den Weg vorgegeben. Napoleon wollte mit der schnurgeraden Linienführung die kürzeste Route von Wesel nach Geldern realisieren. Später kam die Provinzialstraße (ehemalige B 57) hinzu. Zwei rechts und links mit Bäumen bepflanzte Chausseen durchquerten von da an das Gemeindegebiet und kreuzten sich in Grünthal. Ein idealer Standort - nicht nur für eine Gaststätte. Joachim Hunke: "Für die Postkutschen war es ebenfalls eine zentrale Stelle, um Post auszutauschen und die Pferde zu versorgen. Es lag einfach auf der Hand, dort eine Poststation zu errichten."

Aus vier Himmelsrichtungen kamen nun die Postkutschen und machten in Haus Grünthal Station. Das Gasthaus, im Volksmund nur "Commesmann" genannt, gewann zunehmend an Bedeutung. In der Zeit zwischen 1836 und 1869 kam es daher zu zahlreichen Umbaumaßnahmen. Nebengebäude wurden durch größere ersetzt, ein Anbau mit einem Festsaal entstand. Bis zu seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg diente dieses Gebäude mit dem markanten Turm als Veranstaltungsort für Vereine und Bürger. Weil Commesmann neben dem Gastbetrieb auch landwirtschaftlich tätig war, kam es zu einer ungewöhnlichen Doppelnutzung des Saalbaus. Die Drüpter Zeitzeugin Wilhelmine Amshoven erinnert sich: "Oben im Saal haben wir getanzt, und unten im Stall standen die Kühe." Für Veranstaltungen dieser Art hat Gerhard Commesmann, der den Betrieb in zweiter Generation weiterführte, ordentlich die Werbetrommel gerührt. Das geht aus einer Anzeige vom 20.6.1885 in der Zeitung "Bote für Stadt und Land" hervor, in der der Wirt den Gesellschaftsraum nebst schattiger Gartenanlagen und großen Stallungen bewirbt. Inzwischen hatte der Betrieb sogar einen eigenen Telefonanschluss: Rufnummer 64, Amt Menzelen.

Da Gerhard Commesmann auch Bürgermeister der mittlerweile 280-Seelen-Gemeinde Bönning war, fanden die Ratssitzungen im auslaufenden 19. Jahrhundert im Gastraum seines Betriebes statt. Das belegen Sitzungsprotokolle, die Fritz Nühlen vom Menzelener Verein für Geschichte und Brauchtum im Archiv der Gemeinde Alpen entdeckt hat. Was die Gemeinderatsbeschlüsse aus der damaligen Zeit betrifft, muss Nühlen schmunzeln: "Weil die meisten Bönniger damals weder lesen noch schreiben konnten, haben sie die Beschlüsse mit drei Kreuzchen unterzeichnet."

Zu den Stammgästen des Hauses zählten auch zunehmend Soldaten. Das zeigt eine Auflistung über "vom Staat vergütete Einquartierung von Militär". Für die Unterbringung von Mann und Pferd inklusive Verpflegung wurde demzufolge je 1,20 Mark fällig, ein Offizier schlug mit 4,00 Mark zu Buche. "Soldaten bekamen eine einfache Suppe, der Offizier ein Kotelett", vermutet Nühlen als Grund für den Preisunterschied.

Mit dem Bau der Eisenbahnlinie zwischen Kleve und Duisburg durch die preußische Staatsbahn endete im Jahre 1904 die Ära der Postkutschen. Dem Betrieb, der mittlerweile von Gerd Commesmann in der dritten Generation weitergeführt wurde, schadete das nicht. Im Gegenteil: Haus Grünthal entwickelte sich dadurch immer mehr zum beliebten Ausflugslokal. "Die Menschen sind aus dem Ruhrgebiet mit dem Zug nach Alpen gefahren und dort eingekehrt. An den Wochenenden waren neben den Einheimischen immer viele Fremde dort. Die Gaststätte übte eine ungeheure Anziehungskraft aus", erinnert sich Fritz Nühlen, der damals von seinem Vater gelegentlich zum sonntäglichen Frühschoppen mitgenommen wurde. Gerd Commesmann erkannte die Zeichen der Zeit und erweiterte den Betrieb schon früh um eine Tankstelle.

Nach dem zweiten Weltkrieg bis in die Fünfzigerjahre führte August Dickmann den Gasthof, bis dann mit Margot Commesmann, Urenkelin des ersten Wirtes, die Familienära endgültig endete.

(erko)
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