Neuss Streiche der Neusser Schelme

Neuss · Zum 1500. Mal seit ihrer Gründung vor 47 Jahren trafen sich die im Reych Castellum Novaesium organisierten Schlaraffen zum fröhlichen Tun. Ein Besuch dort, wo sich Kaufleute, Beamte oder Bestatter in Ritter verwandeln.

 Neusser Schlaraffen stehen Spalier, um die "einreitenden" Gäste zu begrüßen. Aus dem Reych Crefeldensis war Ritter Yurrick Pur (Mitte) angereist.

Neusser Schlaraffen stehen Spalier, um die "einreitenden" Gäste zu begrüßen. Aus dem Reych Crefeldensis war Ritter Yurrick Pur (Mitte) angereist.

Foto: NGZ

Der Gang ins Kellergewölbe lohnt. Auf den ersten Blick scheint das Kolpinghaus an der Straße Burggraben nahe dem Stadtbad ein schmuckloser Zweckbau. Doch die Stufen hinab führen in eine bunte Welt voller Lebensfreude und Esprit. Wer sich auf diese Reise ins "Reych" der Schlaraffen einlässt, auf den wartet nicht ein Land, in dem Milch und Honig fließen, sondern der "Pilger" muss sich in der dieser Schlaraffenburg vor Streichen und Sprüchen wappnen, die bunt gewandete Herren ununterbrochen ersinnen. Dabei führen diese Schelme nichts anderes im Sinn als sich mit Wortwitz, Schlagfertigkeit, Musik und Gesang niveauvolle Freude zu bereiten.

 Neusser Thron in voller Pracht, v. l.: Ritter Eynsilb (Peter Ernst), Rt. Sorpee (Helmut Laß), Rt. Füchs'ken Zwo (Erhard Strake) und Rt. Ben Musi (Helmut Klöden).

Neusser Thron in voller Pracht, v. l.: Ritter Eynsilb (Peter Ernst), Rt. Sorpee (Helmut Laß), Rt. Füchs'ken Zwo (Erhard Strake) und Rt. Ben Musi (Helmut Klöden).

Foto: NGZ

Jubiläumsjubel bei den Neusser Schlaraffen. Sie trafen sich am Freitag zum 1500. Mal. Das "Tulpenfest" beendete zugleich die "Winterung". Denn nur im Winterhalbjahr treffen sie sich; im Sommer bleibt die Burg leer. In Neuss "sippen" die Schlaraffen seit 1963, nachdem bereits 104 Jahre zuvor in Prag die Schelmenbewegung ihren Anfang genommen hatte. Das Castellum Novaesium ist heute eins von weltweit rund 260 Reychen mit knapp 11 000 Mitgliedern.

Der reine Männerbund kultiviert Kunst, Humor und Freundschaft zu seinen drei tragenden Idealen. "Wir tanken im Kreis Gleichgesinnter Kraft für den Alltag", sagt Helmut Laß (71); Ritter Sorpee gehört dem Neusser "Thron" (Vorstand) an. Nach dem Fall von Mauer und Eisernem Vorhang stand der Schreibtisch des Ministerialbeamten elf Jahre im fernen Potsdam: "Da waren mir die Besuche bei den Schlaraffen in Berlin ein Stück Heimat."

Bei den "Sippungen" in den "Burgen" werde aus ernsthaften Kaufleuten, Beamten, Architekten, Musikern oder Richtern für ein paar Stunden Ritter, Junker oder Knappen, die sich "Lamäng", "Maximed" oder "Perioatos'" nennen, ein dem Mittelalter angelehntes Spiel spielen und ihre eigene Sprache sprechen. Sie begrüßen sich mit "Lulu" und prosten sich mit einem "Ehe" fortwährend zu.

Zum Jubiläum der Neusser Schlaraffen füllte sich die Burg "An der Erft" schnell. Ritter Ben Musi (Helmut Klöden), attestiert vom Ritter Füchs'ken Zwo (Erhard Strake) und Zeremonienmeister Eynsilb (Peter Ernst), führte mit fester Hand und charmantem Wort durch einen Abend, dessen Höhepunkt ein Minnewettbewerb war. Ben Musi verteilte Tadel und Lob, dankte mit Sauerkraut und hielt als höchste Form der Anerkennung den "gerahmten Händedruck des Fungierenden" bereit.

Fünf Recken musizierten, sangen und reimten werbend um die Gunst der Burgfrauen. Die aber befanden, es kann nur einen geben: So trug Ritter Minnesangtus den Sieg und die Gunst der Damen davon — in die profane Alltagswelt. Man(n) mag gute ohne Schlaraffia durchs Leben kommen, aber mit Schlaraffia wird das Leben ein wenig liebenswerter. Die nächste Winterung kommt bestimmt.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort