Augustinus-Gruppe Neuss Ponystute Sasou  im Einsatz als sanfte Seelentrösterin

Neuss · Sie sind gegenüber Menschen neugierig, dabei aber auch gelassen und souverän. Diese natürlichen Eigenschaften von Pferden nutzt die Psychologin Miriam Gigas bei ihrer therapeutischen Arbeit in der Psychiatrie. Mit verblüffendem Erfolg

 Miriam Gigas und ihre Stute Sasou helfen Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen. Die Diplom-Psychologin kann dabei Hobby und Beruf verbinden.

Miriam Gigas und ihre Stute Sasou helfen Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen. Die Diplom-Psychologin kann dabei Hobby und Beruf verbinden.

Foto: Augustinus Gruppe

Pferde wirken auf viele Menschen beruhigend und können in schweren Stunden Trost spenden. Speziell ausgebildete Tiere helfen sogar bei Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen: Ein Umstand, der Miriam Gigas, Diplom-Psychologin im Alexius/Josef Krankenhaus Neuss, bei ihrer Arbeit unterstützt. In ihren Therapiestunden mit dem gutmütigen Vierbeiner finden Patienten Ruhe, Kraft und wohltuende Nähe.

Direkt am Rhein gelegen, etwa 30 Gehminuten von der Psychiatrie entfernt, liegt der Reitstall Schürmann, den die Therapiegruppe einmal in der Woche aufsucht. Sasou, eine achtjährige Stute, wartet bereits auf der Weide. Hinter ihr erstreckt sich die weitläufige Rheinallee – der Geruch von Wasser, Wiese und Pferdehof breitet sich aus. Beim Anblick von Sasou müssen die Patienten meist automatisch lächeln, die Stimmung wirkt gelöst.

Bereits im Jahr 2017 führte das Alexius/Josef Krankenhaus Therapiestunden mit den Vierbeinern als Pilotprojekt ein – damals noch in Allerheiligen. Ein Jahr später übernahm Diplom-Psychologin Gigas das inzwischen reguläre Angebot und schloss eine entsprechende Weiterbildung mit ihrer eigenen Stute Sasou ab. Eine fast schicksalshafte Fügung, denn die Psychologin war schon als Kind pferdeverliebt, nahm früh Reitstunden, probierte sich im Voltigieren aus und besaß bereits im Alter von 16 Jahren ihr erstes eigenes Pferd. Heute verbindet sie ihre Leidenschaft mit dem Beruf. „Es ist nicht selbstverständlich, dass das funktioniert – insbesondere mit dem eigenen Tier. Aber in meinem Fall klappt es wunderbar“, sagt die 49-Jährige stolz.

Ihr Pony der Rasse Connemara eignet sich für diese besondere Aufgabe, denn die irischen Vierbeiner gelten von Natur aus als verlässlich, robust und ehrlich. Nachdem Miriam Gigas mit Sasou die Ausbildung zur Therapie mit Pferden abgeschlossen hatte, sorgte Corona jedoch für eine monatelange Zwangspause. Erst im Sommer 2021 startete das beliebte Angebot der Neusser Psychiatrie wieder und wird seither rege genutzt. „Unser Team überlegt im Vorfeld, zu welchen Patienten der Privatstation die Einheiten passen und wem sie gut helfen könnten. Es kommt sehr selten vor, dass sie den Besuch im Reitstall ablehnen“, berichtet die Psychologin. Stattdessen blühen diese in der Nähe des Tiers oftmals auf. „Es gab schon Szenen, die haben selbst mich als Besitzerin von Sasou berührt und überrascht“, berichtet Gigas. „Zum Beispiel, wenn die Stute von sich aus die Nähe zu einem der Patienten sucht. Das macht sie im Alltag eher selten und es ist dann jedes Mal etwas ganz Besonderes zwischen den Beiden zu spüren.“ Eine Situation, die zeigt, weshalb gerade Pferde so gut für eine Therapie geeignet sind: „Sie spiegeln das Verhalten des Menschen“, erklärt die Psychologin. Dadurch können sich Patienten besser reflektieren, Situationen verstehen und nachempfinden. Noch dazu haben Pferde ideale Grundeigenschaften wie eine natürliche Neugier dem Menschen gegenüber, Gelassenheit aber auch  Souveränität.

Dass der Kontakt zu dem Tier hilft, zeigt sich besonders in Einzeltherapien. So berichtet die Psychologin von einer Lehrerin, die Probleme hatte, sich von ihren Schülern abzugrenzen. „Für sie war die Therapie mit dem Pferd wertvoll, da sie so  eigene  Bedürfnisse ergründen konnte. Sie lernte bei sich zu bleiben und ihren Blickwinkel anzupassen. Das Pferd bietet da ein ideales Übungsfeld, und es funktionierte“, so Gigas.

 Miriam Gigas und ihre Stute Sasou helfen Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen

Miriam Gigas und ihre Stute Sasou helfen Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen

Foto: Augustinus Gruppe

Aber auch die wöchentlichen Gruppentherapien haben einen spürbaren Effekt auf die Patienten. Dabei steht nicht das Reiten im Vordergrund, sondern vielmehr die Kontaktaufnahme: „Wir nähern uns dem Tier zuerst, dann kann es zum Beispiel geputzt, gestriegelt oder auch gestreichelt und anschließend geführt werden. Wer möchte, darf sich auch auf dem Pferd führen lassen. Dabei beobachte ich genau, was passiert“, erklärt die Expertin. „Ist der Patient oder die Patientin beispielsweise unsicher und angespannt, überträgt sich das gleich auf das Pferd. Das hilft, die eigene Stimmung und Körpersprache zu reflektieren“, so Gigas. In einer Nachbesprechung werden die Erlebnisse dann aufgearbeitet. Und nicht nur auf Zweibeiner haben die Therapiestunden einen deutlichen Effekt. „Ich werde nie vergessen, wie müde Sasou nach ihrem ersten Einsatz war. Sie hat ununterbrochen gegähnt“, erinnert sich die Besitzerin. „Das zeigt aber nur, wie sensibel und empfindsam die Tiere sind, denn auch sie müssen sich auf diese spezielle Situation einstellen.“

(NGZ/feh)
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