Neuss Neuss ebnete der CDU den Weg
Neuss · Heute vor 20 Jahren führten Lothar de Maizière und Helmut Kohl Ost- und West-CDU zusammen. Das Gipfeltreffen hatte der Ostberliner zuvor bei Gesprächen in Neuss erkämpft. Erinnerung an eine historische Weichenstellung.
Angela Merkel regiert. Dass eine Ostdeutsche mit CDU-Parteibuch auf dem Kanzlersessel sitzt gilt heute als selbstverständlich — vor 20 Jahren war das anders. Die Bundes-CDU wollte nicht mit der CDU-Ost. Lothar de Maizière, Chef der DDR-Christdemokraten, griff nach eigener Einschätzung zu einem "Trick", um den Durchbruch zu schaffen. Erst als er eine finale Presseerklärung zum (Nicht-)Verhältnis der Unionsparteien ankündigte, schickte CDU-Chef Helmut Kohl einen Unterhändler an der Verhandlungstisch: Willy Wimmer, MdB aus Jüchen, damals Vorsitzender des CDU-Bezirks Niederrhein.
Auf ihrem Weg vom Fall der Mauer (9. November 1989) zur Deutschen Einheit (3. Oktober 1990) machte die Geschichte in Neuss Station. "Im NGZ-Pressehaus an der Moselstraße erfolgte die entscheidende Weichenstellung, die es Lothar de Maizière ermöglichte, zwei Monate später die Wahlen zur Volkskammer zu gewinnen und einziger freigewählter Ministerpräsident der DDR zu werden", behauptet Alfons Kranz, in jener Zeit Verlagsleiter der Neuß-Grevenbroicher Zeitung.
Welche Bedeutung den Neusser Ereignissen im Einigungsprozess zu kommt, müssen einmal die Historiker einordnen. Fakt bleibt, dass Lothar de Maizière und Willy Wimmer an jenem letzten Januar-Samstag 1990 im NGZ-Pressehaus die Sprachlosigkeit überwanden. Gemeinsam überraschten sie abends im Swissôtel die Öffentlichkeit: de Maizière forderte die beiden neuen politischen Gruppierungen, Demokratischer Aufbruch (DA) und Deutsche Soziale Union (DSU), auf, gemeinsam mit der Ost-CDU die "Allianz für Deutschland" zu bilden — die Allianz gewann am 18. März 1990 die Volkskammer-Wahlen . . .
Außerdem kündigte de Maizière, sekundiert von Wimmer, nach den dramatischen Ereignissen noch am Abend in Neuss an, dass er schon bald Helmut Kohl treffen werde.
Heute vor 20 Jahren kam es in Berlin zum Gipfeltreffen und zum Schulterschluss von Bundes- und Ost-CDU. Die Grundlage für den Erfolg von de Maizière im März 1990 war gelegt. Die Hoffnungen, die sich in der DDR mit Helmut Kohl verbanden, trugen de Maizière zum Volkskammer-Sieg. Im Gegenzug konnte sich Kohl bei den Bundestagswahlen 1990 und 1994 auf die gefestigten Strukturen der Ost-CDU stützen und siegen. Willy Wimmer, Zeitzeuge und damaliger Akteur, ist noch heute überzeugt, dass die Tür zur Einheit nur kurz offen stand: "Es musste gehandelt werden und es wurde gehandelt!"
In Neuss wurde ein Kapitel der Geschichte der Deutschen Einheit geschrieben, das womöglich 15 Jahre später einer Angela Merkel den Weg ins Kanzleramt ebnete . . .