Neuss Modell der alten Synagoge für das Stadtarchiv

Neuss · Ein originalgetreues Modell der 1938 zerstörten jüdischen Synagoge in Neuss steht seit gestern im Stadtarchiv. Ilija Pekarskij hat es nach alten Bildern bauen lassen und der Stadt zur Verfügung gestellt.

 Das Portal der Synagoge, die 1938 zerstört wurde.

Das Portal der Synagoge, die 1938 zerstört wurde.

Foto: Stadtarchiv Neuss

Vor 15 Jahren erst kam Familie Pekarskij aus Russland nach Neuss. Vater, Mutter und zwei Töchter zogen in eine Wohnung in der Nordstadt, in der die Eltern heute noch leben, während die erwachsenen Töchter ausgezogen, aber in der Region geblieben sind. Die ältere mit inzwischen eigener Familie in Neuss, die zweite nicht weit weg in Düsseldorf. Warum? "Wir haben uns sofort wohlgefühlt", sagt die jüngere Tochter, Galina Pekarskaia, und spricht dabei für ihre Eltern. Vater Ilija spricht kaum Deutsch, die Mutter Hanna aber kann sich gut verständigen und nickt mit strahlenden Augen zu den Worten der jüngeren Tochter.

 Ilija Pekarskij, Bürgermeister Herbert Napp und Stadtarchivleiter Jens Metzdorf (v.l.) mit dem Modell der Neusser Synagoge.

Ilija Pekarskij, Bürgermeister Herbert Napp und Stadtarchivleiter Jens Metzdorf (v.l.) mit dem Modell der Neusser Synagoge.

Foto: Andreas Woitschützke

Die russische Heimat hatten sie verlassen, weil es "dort für uns Juden immer schwieriger wurde", sagt Hanna Pekarskij, aber in Neuss fühlte sich die Familie von Beginn an angenommen, von der direkten Nachbarschaft und auch von der Jüdischen Gemeinde. Und doch oder vielleicht gerade wegen der eigenen Zufriedenheit berührte es den mittlerweile 72-jährigen Ilija Pekarskij, von den Geschichten der unter den Nazis ermordeten und vertriebenen Juden aus Neuss zu lesen. Seit er Stefan Rohrbachers Buch "Juden in Neuss" gelesen, die Bilder darin gesehen hatte, bewegte ihn der Plan, die "wunderschöne Neusser Synagoge" wieder aufleben zu lassen. Er recherchierte weiter im Stadtarchiv, sorgte für die Finanzierung und fand in dem Modellbauer Franz Naber den richtigen Mann, der das Gebäude in ein mehr als ein Meter hohes Modell umsetzte. Wer es nun sieht, mit den bunten Fenstern, den Türmen und dem klassischen Portal, bekommt eine Ahnung davon, wie lebendig das Leben darin mal gewesen sein muss. (Vom Bedauern über das Verschwinden aus der Stadtarchitektur mal ganz abgesehen.) Als das Modell gestern in einer kleinen Feierstunde übergeben wurde, freute sich Archivleiter Jens Metzdorf denn auch sichtbar, dass das Modell umgeben ist von den Ergebnissen des Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten zum Thema "Nachbarn". Denn wie schön passt es doch, dass nun gegenüber vom Modell eine Tafel mit der Geschichte zur alten Synagoge und der sprechenden Überschrift "Da fehlt was im Stadtbild" hängt.

Wenn es nach Bürgermeister Herbert Napp geht, müsste längst wieder eine Synagoge in Neuss stehen. "Das ist uns nicht gelungen", sagt er bedauernd, "aber es fehlte nicht an Willen, sondern scheiterte an objektiven Dingen." Und so zeigte er sich ähnlich berührt wie alle die anderen Besucher über die großzügige Geste von Ilija Pekarskij, "dass das, was in unserem Herzen steckt, nun in kleiner Form hier sehen zu ist".

(NGZ)
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