Neuss Don Camillo – eine turbulente Komödie

Neuss · Für die neue Inszenierung des Rheinischen Landestheaters "Don Camillo und Peppone" gab es vom Premierenpublikum viel Applaus. Im Stück geht es immer wieder kräftig zur Sache.

 Eine Szene aus der Neusser Inszenierung. Im Mittelpunkt: Pfarrer Don Camillo und Bürgermeister Peppone.

Eine Szene aus der Neusser Inszenierung. Im Mittelpunkt: Pfarrer Don Camillo und Bürgermeister Peppone.

Foto: B. Hickmann

Rainer Scharenberg ist nicht Fernandel. Doch der Neusser Schauspieler ist seinem berühmten französischen Kollegen in der Schlagkraft ebenbürtig. In der neuen Inszenierung des Rheinischen Landestheaters "Don Camillo und Peppone" geht es immer wieder kräftig zur Sache. Giovanino Guareschis Geschichten um einen Pfarrer in der Po-Ebene und seinen kommunistischen Gegenspieler wurden vor allem durch ihre Verfilmung berühmt. In der jetzt gezeigten Komödienfassung passiert Folgendes: Bürgermeister Peppone will seinen Neugeborenen auf den Namen Lenin taufen lassen. Ein Affront gegen die Kirche. Und die Tochter des Großgrundbesitzers hat sich ausgerechnet in den Sohn des ärmsten Bauern verliebt. Eine Gefühlsverwirrung mit revolutionärem Potential.

Dass die beiden Titelkontrahenten völlig unbelehrbar seien, wäre zu viel gesagt. Peppone (gespielt von Stefan Schleue) ändert seinen stur gegen die Wand laufenden Kurs immer kurz vor zwölf, nach dem Motto: wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Und Camillo hat als mächtiges, unfehlbares Korrektiv den gekreuzigten Jesus. So kommt es, dass man die beiden scheinbar Unversöhnlichen am Schluss, innig vereint, beim Aufbau einer Weihnachtskrippe sieht. Nach turbulenten, sehr unterhaltsamen zweieinhalb Stunden ist die kleine Dorfwelt im Nachkriegsitalien vorerst wieder in Ordnung.

In der Regie von Jürgen Lingmann und der Ausstattung von Michaela Springer fehlt es nicht an Zitaten aus der damaligen Zeit. Peppones Frau (Emilia Haag) trägt ihre schrecklich aufgekämmte Haartracht über einem steifen Blumenkleid wie eine Jakobinermütze. Und die Konservativen wie die Kommunisten machen sich mit Kleinfahrzeugen aus Pappe das Leben schwer. Die Modelle passen, denn die Werktätigen fahren mit einer dreirädrigen "Ape" (Biene) in den Kampf, dem fleißigen Gegenstück der Vespa. Hingegen können sich die Herrschaften bereits einen flotten "Topolino" leisten. Mit viel Geschubse, Knallerei und anderem Krach gehen die Parteien immer wieder aufeinander los, unterbrochen von Glockengeläut und Partisanenhymnen. Für melodramatische Einschübe sorgen Verdi und Puccini.

Zwei Figuren dieser Aufführung sind besonders interessant. Während Jesus in den Filmen immer nur als Stimme vom Altar zu hören war, taucht er auf der Neusser Bühne leibhaftig in das Geschehen ein. Henning Strübbe ist ein Sonnyboy, der seinen Lendenschurz immer wieder kokett zurechtrückt, das bunte Geschehen mit dem Camcorder festhält und seinen kämpferischen Diener Camillo mit sanftem Nachdruck zur Räson bringt. Die andere Figur ist Signora Cristina. Der ehemaligen Lehrerin bringen im Dorf alle den größten Respekt entgegen, selbst wenn sie für sich und das Land die Rückkehr des gerade abgewählten Königs beschwört. Als tiefgebeugte Furie mit Stock beherrscht die Darstellerin Hergard Engert jeden ihrer Auftritte. Doch der Höhepunkt dieser italienischen Dorfränke gehört dem Fußball. Zu erleben ist ein herrlich chaotisches Duell einschließlich Schiedsrichter-Bestechung. Großer Beifall am Premierenabend.

(NGZ/rl)
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