Neuss Altes Ordenshaus vor Abriss

Neuss · In einem ehemaligen Internat des Mariannhill-Ordens war fast 35 Jahre lang die Musikschule zuhause. Künftig errichtet der Bauunternehmer Korbmacher auf dem Gelände an der Lützowstraße schicke Eigenheime.

 Ursprünglich wohnten hier so genannte Spätberufene des Würzburger Mariannhill-Ordens – jetzt soll das alte Gebäude abgerissen werden.

Ursprünglich wohnten hier so genannte Spätberufene des Würzburger Mariannhill-Ordens – jetzt soll das alte Gebäude abgerissen werden.

Foto: Woi

"Gemütlich hatten wir es in den kleinen Räumen. Und selten anonym, denn jeder hörte das, was der Schüler im Nebenraum spielte." So beschreibt der ehemalige Musikschullehrer Wolfgang Schütt die Atmosphäre im alten Gebäude im Lukasviertel. Kein Wunder, dass die Planer des Baus nicht zuerst an Schallschutz dachten.

Denn ursprünglich wohnten hier so genannte Spätberufene des Würzburger Mariannhill-Ordens — Männer, die erst einen Beruf ausübten und sich später erst zum Mönchsein berufen fühlten. "In den 1960er und 1970er Jahren schliefen, lernten und aßen dort die Mönche und besuchten das Erzbischöfliche Berufskolleg nebenan", erklärt Pater Dr. Hubert Wendl, Leiter des Mariannhill-Ordens in Deutschland.

Daher fanden die Musiklehrer viele kleine Schlafzimmer, große Waschräume und einen Speisesaal vor, als sie 1978 die neue Unterrichtsstätte bezogen. "Aus Mangel an Spätberufenen entschloss sich der Orden, das Gebäude an die Stadt zu vermieten", so Wendl. In den Schlafzimmern der Mönche sangen und tanzten jetzt Dreijährige, übten Schüler Klavier — und probte die Bigband.

"Meinen Schlagzeug-Raum habe ich selbst gestaltet und die Akustik so gut es ging verbessert", erinnert sich Jochen Büttner, stellvertretender Leiter der Musikschule. Aber auch er genoss das "Teamgefühl" in den alten Mönch-Zimmern und das "idyllische Grundstück" drumherum. Aus den Waschräumen der Ordensschüler wurden Instrumenten- und Lagerräume, den Speisesaal funktionierten die Musiker zum Kammermusik-Zimmer um. "Damals waren wir froh, endlich einen Ort für die Musik zu bekommen, wo Zusammenspiel möglich war", erklärt Schütt, der dort Querflöte unterrichtete und den Fachbereich Blasmusik leitete.

Früher fand der Unterricht an den Neusser Schulen statt. "Daher war das für uns ein immenser Fortschritt, als die Stadt das Gebäude für uns mietete. Auch, wenn wir das Mobiliar teilweise selbst mitbrachten", erzählt Schütt. Doch die Trompeten- und Gitarrenklänge an der Lützowstraße gehören der Vergangenheit an.

Im Januar ist die Musikschule aus dem renovierungsbedürftigen Gebäude ins neue Romaneum in der City umgezogen. Büttner und seine Kollegen unterrichten nun in großen, schallgeschützten Räumen. Und wo einst Schlagzeug und Querflöte erklangen, lärmen ab Frühjahr Bagger und Abrissbirne: Dann nämlich läutet das Grimmlinghausener Bauunternehmen Korbmacher die Zukunft des alten Musikschulgeländes ein.

Das Unternehmen kaufte das Grundstück vom Mariannhill-Orden, reißt jetzt das alte Musikschul-Gebäude ab und beginnt im Sommer mit dem Bau von Eigenheimen.

(NGZ/rl)
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