Mönchengladbach Zeitzeuge auf vier Rädern

Mönchengladbach · Dieser rote Kleinwagen erregt überall Aufmerksamkeit: Jürgen Ludwig fährt einen Renault 4 aus dem Jahr 1978 mit 610 000 gelaufenen Kilometern. Das ist einmalig in ganz Europa.

 Der Renault 4 von Familie Ludwig wurde 1978 erbaut.

Der Renault 4 von Familie Ludwig wurde 1978 erbaut.

Foto: Markus Rick

Je höher der Tachostand eines Autos, desto uninteressanter ist es meistens für seine Umgebung. Bei Jürgen Ludwigs (56) Wagen ist das anders. Er fährt einen Renault 4 von 1978 mit 610 000 gelaufenen Kilometern — in Europa hat sonst kein noch funktionierender Wagen dieser Klasse so viel Straße gesehen. In einem Telefongespräch mit einem Mitarbeiter von Renault hieß es einmal: "Wenn alle so lange ein Auto fahren würden wie du, würden wir nichts mehr verkaufen."

Für Jürgen Ludwig, selbst von Baujahr 1955, ist es nicht der erste Renault 4. Mit seinem heutigen und den zwei Vorgängern des kompakten Kultautos hat er insgesamt mehr als eine Millionen Kilometer auf die Straße gebracht. Die meisten davon nicht in Mönchengladbach, denn Jürgen Ludwig und seine Frau Barbara (53) reisten schon als Studenten mit ihrem roten Liebling durch Europa. Drei Mal waren sie allein am Nordkap, in alle Himmelsrichtungen trieb es die beiden.

Diskussion mit Soldaten

Manche Reiseziele sind ihnen in positiver Erinnerung geblieben, auf andere blicken die beiden eher mit gemischten Gefühlen zurück. Wie etwa auf den Tag, an dem Jürgen Ludwig an der albanischen Grenze mit einem Soldaten diskutieren musste, während dieser mit einem Maschinengewehr auf ihn zielte. Gerne erinnern sich die Renault-4- Fans dagegen an ihre Hochzeit, bei der sie nicht ganz standesgemäß im 700 Kilogramm leichten Kleinwagen vorfuhren. Vorher mussten sie allerdings heimlich testen, ob ihr Renault überhaupt tauglich für die Ausmaße von Barbaras Kleid war. Die nächste Feuerprobe bestand der Wagen, als er sich gegen einen alten 6er BMW, ein Geschenk, durchsetzen musste. Der Kinderwagen von Tochter Christine (heute 16) war zu groß für den BMW-Kofferraum. So fuhren die Ludwigs weiter glücklich mit ihrem Renault 4 durch die Weltgeschichte. Ob die Tochter seinen Wagen jemals alleine fahren darf? "Wenn ich ganz offen sein soll, das muss ich mir erst noch überlegen", sagt Jürgen Ludwig schmunzelnd.

Laut dem 56-jährigen könnte es immer noch viel mehr Wagen dieser Bauart geben, wenn sich die Leute besser um ihre Autos gekümmert hätten. In seiner Generation verbinden viele Erinnerungen mit dem Familienauto, dessen Produktion 1992 eingestellt wurde. Wenn die Ludwigs auf einer Veranstaltung sind oder dem Wagen bei gutem Wetter etwas "Auslauf" gönnen, werden sie immer gleich angesprochen. "So einen hatte ich auch mal" oder "Meine Eltern hatten so einen" ist oft der Anfang für ein nettes Gespräch und das Schwelgen in Erinnerungen. Was wird eigentlich, wenn das Kultauto irgendwann doch das Zeitliche segnet? "Der geht nicht kaputt!", sind sich die Ludwigs einig.

(ansc)
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