Mönchengladbach Wohlfahrtsverbände stehen im Abseits

Mönchengladbach · Schulsozialarbeit, U 3-Betreuung, ambulante Erziehungshilfe: Wenn die Stadt interessante und lukrative Aufgaben vergibt, fällt die Wahl oft nicht auf die Gladbacher Wohlfahrtsverbände. Sie wollen dies nicht mehr hinnehmen.

 Ob Kleiderkammer oder Senioren-Betreuung: Gladbachs Wohlfahrtsverbände haben in der Stadt ein enges soziales Netzt gesponnen. Trotzdem sehen sie sich und ihre Organisationen nicht genügend gewürdigt.

Ob Kleiderkammer oder Senioren-Betreuung: Gladbachs Wohlfahrtsverbände haben in der Stadt ein enges soziales Netzt gesponnen. Trotzdem sehen sie sich und ihre Organisationen nicht genügend gewürdigt.

Foto: Bauer/Ilgner

In den 1980er und 1990er Jahre suchte die Stadt bei schwierigen sozialen Themen umgehend die Nähe zu den Wohlfahrtsverbänden. Bevor die Stadt selbst in die Bresche sprang und mit Geld und Personal ein Problem lösen wollte, klopfte sie bei Caritas, Diakonie, DRK, Arbeiterwohlfahrt, Paritätischem oder Jüdischer Gemeinde an.

Der Leitspruch des damaligen Sozialdezernenten und Stadtdirektors Günter Buhlmann war eindeutig: Vor Staat und Stadt sollten die Spezialisten für Soziales das Problem angehen. Gestützt wurde er von einer starken sozialpolitischen Lobby im Rat.

Heute vermissen die Wohlverbände diese Wertschätzung und Rückendeckung — in der Verwaltung und in der Politik. Sie fühlen sich gegängelt durch eine Vielzahl von Leistungsverträgen und sehen sich bei wichtigen Aufgaben nicht berücksichtigt. "Als die Stadt ein Konzept für Schulsozialarbeit entwickelte, sind wir gar nicht erst gefragt worden", sagt Heinz-Herbert Paulus, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes in Gladbach.

Wohlfahrtsverbände fühlen sich als Lückenfüller

Die Wohlfahrtsverbände und ihre Partnerorganisationen als Lückenfüller, die nur als soziale Feuerwehr gefragt sind, wenn es bereits lichterloh brennt? Das wollen die in einer Arbeitsgemeinschaft (AG) zusammengeschlossenen Verbände nicht mehr länger hinnehmen. In einem Sechs-Punkte-Papier hat die AG ihre Rolle beschrieben und macht deutlich, dass sie offensiver als bislang auftreten wird.

"Wir fordern eine stärkere und bessere Kommunikation und eine neue Kultur des Miteinanders", sagt Paulus. Und sein Kollege Uwe Bohlen, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt und derzeit AG-Vorsitzender, legt den Finger in die Wunde: "Wir werden behandelt wie jeder x-beliebige private Anbieter auf dem Markt. Dabei sind wir mehr: Unsere Leute kennen die soziale Infrastruktur der Stadt, sie wissen, was die Menschen bewegt und welche Probleme sie haben."

Dabei werfen die Verbände in die Waagschale, was in dieser Quantität und Dichte keine andere soziale Gruppe in der Stadt vorweisen kann: ein Heer von mehreren tausend Ehrenamtlichen, Mitgliedern und Beschäftigten. Ihren Einsatz sehen sie trotzdem nicht genügend gewürdigt, obwohl sie effizient und preisgünstig an sozialen Themen arbeiten könnten. "Viele Leistungen werden von freien Trägern bereits erbracht. Weitere könnten auf sie übertragen werden", heißt es in dem Strategiepapier.

Wie die Wirklichkeit aussieht, beschreibt der frühere FDP-Politiker Paulus an einem Beispiel so: "Wenn 100 Kindergärten in der Stadt eingerichtet werden, macht es die Stadt in 99 Fällen selbst." Und formuliert es dann drastisch: "Die Wohlfahrtspflege wird oft vergewaltigt."

(RP/rl)
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